Energiegemeinschaften – planen, gründen, managen

Energiegemeinschaften werden künftig ein wesentlicher Bestandteil unseres Energiesystems sein. Bereits heute kann sich laut aktueller Studie von Deloitte jeder zweite Befragte eine Teilnahme an einer Energiegemeinschaft vorstellen.

Die Vorteile von Energiegemeinschaften liegen auf der Hand: aktive Teilnahme an der Energiewende, mehr Unabhängigkeit beim Energiebezug und finanzieller Nutzen, um nur einige zu nennen. Wer an einer Energiegemeinschaft teilnimmt, kann Strom nicht nur konsumieren, sondern diesen auch selbst für den Eigenbedarf produzieren und speichern sowie Überschüsse verkaufen.

Der OVE nimmt seine Verantwortung als unabhängige Branchenplattform wahr und beleuchtet das Thema Energiegemeinschaften intensiv von allen Seiten. Dazu haben wir 2022 insgesamt vier Roundtables zu Energiegemeinschaften initiiert, um mit Expert:innen über die Rahmenbedingungen zu diskutieren. Die Gesprächsrunden werden 2023 weitergeführt. Gerne stehen wir als Ansprechpartner zur Verfügung und teilen unsere Erfahrungen.

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Energiegemeinschaften funktionieren, was für deren Gründung spricht und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Außerdem stellen wir drei bestehende Projekte vor.

Wie funktionieren Energiegemeinschaften?

Eine Energiegemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Personen, Kommunen oder Organisationen, um gemeinsam Energie zu produzieren, zu verbrauchen und zu verkaufen. Wer also Strom selbst erzeugt – zum Beispiel mit einer Photovoltaik-Anlage oder einer Kleinwindenergie-Anlage – kann überschüssige Energie mit anderen Verbrauchern teilen.

Und wer selbst nicht in der Lage ist, eine eigene Erzeugungsanlage zu betreiben, kann im Rahmen einer Energiegemeinschaft dennoch aktiv an der Energiewende teilnehmen und regionalen Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu einem attraktiven Preis beziehen.

Durch die stark gestiegenen Energiepreise ist das Interesse an derartigen gemeinschaftlichen Energieprojekten deutlich gestiegen. Das schlägt sich auch in der zuletzt stark wachsenden Anzahl an Projekten nieder: In Österreich sind bereits mehr als 200 Energiegemeinschaften in Betrieb. Weitere 100 befinden sich in Gründung. Österreich nimmt damit eine Vorreiterrolle im europäischen Raum ein.

Was sind die Voraussetzungen für die Gründung einer Energiegemeinschaft?

  • Energiegemeinschaften müssen aus mindestens zwei Teilnehmer:innen bestehen und eine Erzeugungsanlage beinhalten.
  • Bei der Errichtung von Erzeugungsanlagen müssen die Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes und die technischen Richtlinien des jeweiligen Verteilernetzbetreibers eingehalten werden. Die Abnahme der Erzeugungsanlage muss von einem konzessionierten Unternehmen durchgeführt werden.
  • Jeder Netzzugang innerhalb einer Energiegemeinschaft benötigt einen Smart-Meter. Die kostenlose Bereitstellung des Smart-Meters liegt in der Verantwortung des Netzbetreibers. Der Smart-Meter ist darüber hinaus auch sinnvoll, um Abrechnungsdaten zwischen Teilnehmer:innen innerhalb der Energiegemeinschaft auszutauschen.
  • Energiegemeinschaften können weitaus größer ausfallen als die Minimalanforderung von zwei Beteiligten. So kann es vorteilhaft sein, einen Energiespeicher für die Gemeinschaft anzuschaffen, um auf diese Weise Energie zwischenzuspeichern und dann zu verwenden, wenn sie gebraucht wird.
  • Um Verbrauch, Erzeugung und ggf. Speicher optimal aufeinander abzustimmen, kommen optional IKT-Systeme zum Einsatz. Die verbauten Komponenten kommunizieren über Datenschnittstellen miteinander. Die Implementierung dieser IKT-Systeme bieten professionelle Anbieter an.

Welche Formen von Energiegemeinschaften gibt es?

Übersicht über Formen der Energiegemeinschaft

5 Gründe, Teil einer Energiegemeinschaft zu werden

  1. Unabhängigkeit von Strom- und Gaspreisverwerfungen
  2. Verbrauch von Energie aus rein erneuerbaren Quellen
  3. Partnerschaftliche Beziehung zu den anderen, lokal ansässigen Teilnehmer:innen der Energiegemeinschaft
  4. Aktive Teilnahme an der Energiewende
  5. Mittel- bis langfristig: Entlastung der Netze durch Produktion von lokalem Strom, der nicht über lange Leitungen transportiert wird

 

OVE Lehrgang Energiegemeinschaften
Große Nachfrage bei Ausbildung zum/zur Manager:in von Energiegemeinschaften

Um dem großen Interesse an Energiegemeinschaften gerecht zu werden, bietet die OVE Academy seit Anfang 2023 einen Zertifikatslehrgang „Manager:in von Energiegemeinschaften“ an. Im Rahmen der Ausbildung werden rechtliche, technische und administrative Aspekte berücksichtigt, die beim Gründen und Betreiben einer Energiegemeinschaft zu beachten sind.

 

Vernetzung mit unseren Absolvent:innen

Sie sind auf der Suche nach einem/r zertifizierten Manager:in von Energiegemeinschaften oder möchten sich über das Thema austauschen und Kontakte knüpfen? Gerne stellen wir Ihnen auf Anfrage unsere Absolvent:innen-Liste zur Verfügung. Senden Sie dazu bitte eine E-Mail an academy(at)ove.at.

Energiegemeinschaften Beispiele: Umgesetzte Projekte aus Österreich

Energiegemeinschaft „Beratungszentrum am Schwaighof“ (St. Pölten)

5 Mitglieder teilen sich im Rahmen der Energiegemeinschaft die Energie einer 60 kWp Photovoltaik-Anlage.

Produziert wird die Energie in Solarpaneelen auf dem Dach und der Fassade des Beratungszentrums. Die produzierte Energie reicht aus, um auch naheliegende Unternehmen im Umkreis mit Sonnen-Strom zu versorgen.

Die Sparkasse war hier Vorreiter und bestätigt, dass das Projekt bei den derzeitigen Energiepreisen ein Selbstläufer sei.

Energiegemeinschaft "Kapelln"

Bereits seit 2017 nimmt Kapelln am e5-Programm für energieeffiziente Gemeinden teil und zählt zu den ersten Pilotgemeinden bei der Umsetzung einer Energiegemeinschaft.

Dies wurde durch eine große Anzahl an PV-Anlagen sowie dem großen Engagement der Bevölkerung ermöglicht. Initiiert wurde das Projekt von der Marktgemeinde Kapelln, die auch ihre eigene PV-Anlage in die Energiegemeinschaft eingebracht hat.

Momentan tauschen rund 50 Bürger:innen Energie von Photovoltaik-Anlagen im Rahmen der Erneuerbaren Energiegemeinschaft Kapelln aus – Tendenz steigend.

Energiegemeinschaft „Region Melk“

60 Bürger:innen aus mehreren Gemeinden nehmen an der Erneuerbaren Energiegemeinschaft Region Melk teil: Über das Umspannwerk Loosdorf wird Energie von privaten Photovoltaik-Anlagen sowie der Stadt verteilt.

Um auch Bürger:innen an anderen Umspannwerken beteiligen zu können, wurde ein Zweigverein am Umspannwerk Erlauf ins Leben gerufen. Auch die Einbindung von Biomasse und Windenergie sind in naher Zukunft geplant.

Mit ihrem Start im Mai 2022 war die Energiegemeinschaft „Region Melk“ eine der ersten Energiegemeinschaften Österreichs.

Noch mehr Energiegemeinschaften-Beispiele finden Sie auf der Website der Energie Zukunft Niederösterreich.

Finanzielle Anreize für Energiegemeinschaften

Neben den nachhaltigen und klimafreundlichen Aspekten von Energiegemeinschaften sind auch finanzielle Anreize essentiell, um dem Modell zum Durchbruch zu verhelfen. Anlässlich der angespannten Situation am Energiemarkt sind auch die Marktvorteile für die Teilnehmer:innen neu zu bewerten. Ein reduziertes Netznutzungsentgelt, von dem die an einer Energiegemeinschaft Beteiligten profitieren, reicht als Vorteil nicht mehr aus.

Der OVE unterstreicht den Handlungsbedarf in diesem Zusammenhang und setzt sich aktiv für die finanzielle Förderung von Energiegemeinschaften ein. Gemeinsam mit unseren Netzwerkpartner:innen haben wir einen konkreten Fördervorschlag erarbeitet und an die politischen  Entscheidungsträger:innen weitergeleitet. Hier können Sie Einblick in unseren Fördervorschlag nehmen.

Für eine erste Abschätzung der Wirtschaftlichkeit einer Energiegemeinschaft finden Sie ein Berechnungstool bei der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften.

Top Voices zu Energiegemeinschaften

Eva Dvorak
"Energiegemeinschaften machen es möglich, dass sich Menschen zusammentun, um gemeinsam die Energiewende zu gestalten. Gemeinsam Energie produzieren, verbrauchen und verkaufen – so wird die Energiezukunft aussehen."
Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften im Klima- und Energiefonds
Hubert Fechner
"Energiegemeinschaften sind ein zartes Pflänzchen, das es jetzt gilt, weiterzuentwickeln. Unter dem Motto 'Empowerment of the citizens' wird Unabhängigkeit geschaffen und Bürger:innen werden ins Energiebusiness gebracht."
Österr. Technologie Plattform Photovoltaik
Andreas Schneemann
"Energiegemeinschaften sind eine Nachhaltigkeitsinitiative. Es steht nicht nur die wirtschaftliche Ebene im Vordergrund, sondern auch die infrastrukturelle. Mit der entsprechenden technischen Ausstattung können Energiegemeinschaften Stromnetze entlasten."
energie.kompass