SMART Standards: Was sie können und warum wir sie brauchen

In einer digitalen und vernetzten Welt müssen auch Normen und Standards digital verfügbar sein, damit sie automatisch von Maschinen oder anderen Systemen interpretiert und angewendet werden können. Das spart Zeit und Kosten.

Die Umsetzung von SMART Standards wird in den internationalen Normungsorganisationen aktiv diskutiert, etwa in der Strategic Group 12 „Digital Transformation and Systems Approach“ sowie im Rahmen des Online Standards Development (OSD) Projekts bei IEC.

SMART steht für Normen (Standards), deren Inhalte für Maschinen anwendbar (applicable), lesbar (readable) und übertragbar (transferable) sind.

Voraussetzung für den Erfolg von SMART Standards ist, dass der gesamte Prozess von der Erstellung der Norm bis hin zu ihrer Nutzung international harmonisiert wird.

Die Entwicklung von elektrotechnischen Normen von 1889 bis heute

Die ersten Sicherheitsbestimmungen für die Elektrotechnik veröffentlichte der OVE bereits im Jahr 1889. Sie wurden damals noch mit Schreibmaschine getippt und per Post an die Anwender:innen versendet. Das blieb noch viele Jahre so.

Erst mit der Einführung der Computer wurden Normen elektronisch verfügbar, lagen als Text in einem Word-Dokument oder als PDF-Datei vor.

Heute kann man Normen im Internet herunterladen, am Computer lesen oder in ihnen nach Begriffen suchen. Content Management Systeme unterstützen ihre Erstellung, Verwaltung und Bereitstellung. Normportale bieten vielfältige Recherchefunktionen. Einzelne Inhalte von Normen sind auch schon maschinenlesbar, ihre Interpretation und Anwendung ist aber nach wie vor den Menschen vorbehalten.

SMART Standards am Beispiel Energiewende

Denken wir an unser Energiesystem der Zukunft: Energie aus Windkraft, Photovoltaik oder Wasserkraft effektiver zu nutzen und die Schwankungen auszugleichen, gehört zu den großen Herausforderungen der Energietechnik. Die Einspeisung durch zahlreiche Erzeugeranlagen unterschiedlichster Größe muss mit dem Verbrauch sowie mit Speicher- und Verteilernetzen abgestimmt, digital organisiert und automatisiert werden. Es entsteht ein System aus unzähligen Akteuren, die Angebot und Nachfrage aushandeln und automatisch steuern.

Damit dies gelingt, müssen diese Akteure nicht nur vernetzt sein, sondern auch eine gemeinsame Sprache sprechen. Nur so können Datenströme funktionieren und kann die Stabilität des Netzes sichergestellt werden. Grundlage dafür sind sektorübergreifende Normen und Richtlinien. Sie legen fest, worüber und wie die einzelnen Sektoren miteinander kommunizieren müssen.

Die Herausforderung lautet: Wie können diese normativen Anforderungen selbst digital erfasst, verwendet oder sogar aktualisiert werden? Genau das sollen SMART Standards ermöglichen. SMART Standards sind Normen, die ihre Inhalte digital und auf geeignete Weise zur Verfügung stellen, sodass die Sektoren beispielsweise eigenständig auf die Informationen zugreifen und mit ihnen auch interagieren können, wenn es Abstimmungsbedarf gibt. SMART Standards gewährleisten also die Interoperabilität der unterschiedlichen Sektoren im Energiesystem.

Christian Gabriel
„SMART Standards werden in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen. Etwa wenn es darum geht, ein reibungsloses Zusammenspiel der zahlreichen Akteure im Energiesystem der Zukunft zu ermöglichen und die Stabilität unseres Stromnetzes zu gewährleisten.“
Leiter OVE Standardization

Herausforderungen auf dem Weg zu SMART Standards

Die Inhalte von Normen müssen künftig noch kleinteiliger bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass auch Tabellen, Formeln und Grafiken bis zu den kleinsten Informationselementen und deren Kennzeichnung semantisch noch feiner granuliert werden. Dafür braucht es neue Informationsmodelle, die wiederum international standardisiert sein müssen.

Im Interview mit unserer Verbandszeitschrift e+i gewährt Ralph Sporer, Vizepräsident von IEC (International Electrotechnical Commission), weitere Einblicke in die Herausforderungen auf dem Weg zu SMART Standards. >> Hier geht es zum Interview.

Künstliche Intelligenz in der Standardisierung

Mit Künstlicher Intelligenz sollen Normen künftig in der Lage sein, sich in agilen, schnell wandelnden, technischen Systemen selbst zu optimieren. Sie sind dann keine statischen Dokumente mehr, sondern beschreiben den zum aktuellen Zeitpunkt optimalen Wissenstand der technischen und regulativen Rahmenbedingungen.

Änderungen führen selbstgesteuert zu einem Anpassungsprozess. Die Norm der Zukunft wird dann zu einem digitalen Akteur mit kognitiven Fähigkeiten.

Was bedeutet das für die Normungsarbeit?

Normungsarbeit ist konsensbasiert. Das heißt, Expert:innen diskutieren in den Normungsgremien technische Probleme und Herausforderungen und erarbeiten Lösungen, die auf einem breiten Konsens basieren. Irgendwann werden automatisierte KI-basierte Entscheidungsprozesse diesen Ablauf unterstützen können.

Doch auch dann behalten Normungsorganisationen eine wichtige Funktion: Sie müssen diesen Prozess streng kontrollieren und damit sicherstellen, dass sich das selbstoptimierende Normungsobjekt positiv weiterentwickelt.

Wann werden SMART Standards zum Einsatz kommen?

Schon jetzt werden SMART Standards international erprobt. Je nach Anwendungsfall könnten einige davon schon in fünf Jahren verwirklicht werden, bei anderen wird es sicherlich noch bis zu zehn Jahren oder sogar länger dauern. Die erforderlichen Technologien existieren bereits. Sie müssen aber noch an die Normungsprozesse angepasst werden.