Zum ambivalenten Verhältnis der Österreicher:innen zu Wissenschaft und Technologie

Wann immer in den letzten Jahrzehnten die Auswertungen der Eurobarometer-Umfragen zu Wissen und Wahrnehmung von Wissenschaft und Technologie in der Gesellschaft eintreffen, macht sich in Österreich besorgte Aufregung bei Wissenschaftspolitik, Medien und Forschungsinstitutionen breit.

Wie schon in den Jahren zuvor, sagten uns die Zahlen 2021, dass nicht nur das Interesse an und Wissen über Wissenschaft, sondern auch das Vertrauen in die Wissenschaftler:innen weit unter dem europäischen Durchschnitt liegen.

Wenn es um die Einschätzung positiver oder negativer Effekte neuer Technologien geht, liegen Österreicher:innen bei den positiven Einschätzungen ebenso immer unter dem EU-Durchschnitt; eine Ausnahme bilden die Informations- und Kommunikationstechnologien.

Weiters, nicht unerwartet, bringt Österreich seine Kritik an Kernenergie und Biotechnologie, aber auch etwa an Künstlicher Intelligenz, durch hohe negative Bewertungen klar zum Ausdruck.

Die Folge dieser Ergebnisse sind öffentliche Aufrufe, es müsse etwas unternommen werden gegen diese wachsende Wissenschaftsskepsis breiter Kreise der Bevölkerung, die bisweilen sogar in offene Wissenschaftsfeindlichkeit umschlägt.

Kommunikation verbessern, etwas mehr an Partizipation der Gesellschaft in wissenschaftlich-technischen Belangen, und insbesondere den Dialog suchen mit der nächsten Generation an potenziellen Wissenschaftler:innen, also mit Schüler:innen – dies sind die gängigen Vorschläge.

Wissenschaftsfeindlich oder ambivalent?
Wir wissen aus vielen Jahren der Forschung, dass Menschen wissenschaftliches Wissen nicht einfach kognitiv erfassen und es dann in Handlungen umsetzen. Vielmehr erfahren sie es vermittelt durch soziale Beziehungen, Wechselwirkungen, und verknüpft mit ihren persönlichen Interessenlagen und Erfahrungen. Somit beurteilen sie sowohl Wissenschaft als auch Wissenschaftler:innen aus diesen oft vielschichtigen sozialen Zusammenhängen heraus, wobei Vertrauensbeziehungen und Werte hier eine wichtige Rolle spielen.

Wenn wir diese Befunde ernst nehmen, so ist klar, dass wir aus Umfrageuntersuchungen nur lernen, dass Österreicher:innen diese Antworten geben, aber keineswegs wissen, warum sie diese geben. Und es ist daher schwer festzumachen, ob wir überhaupt von Wissenschaftsfeindlichkeit sprechen können, oder ob es sich nicht um eine tiefe Ambivalenz gegenüber Wissenschaft handelt, dass also Wissenschaft nie wirklich in der Alltagskultur unserer Gesellschaft angekommen ist. Wenn wir aber das vorliegende Problem nicht wirklich verstehen, scheinen angemessene Lösungen nur schwer umsetzbar.

Aus der Pandemie lernen?
Die Corona-Krise hat uns mit Nachdruck diese Ambivalenz gegenüber Wissenschaft vor Augen geführt. Den medial hochstilisierten Erwartungen, gleich Lösungen aus der Wissenschaft parat zu haben, stand mit einem Schlag eine Realität gegenüber, der die meisten Menschen noch nie begegnet waren.

Wissenschaftliches Wissen war keineswegs so rasch zur Hand, um Entscheidungen treffen zu können, wie dies implizit und explizit erwartet wurde; Wissen wurde ständig revidiert und musste verbessert werden; öffentliche Kritik an den wissenschaftlichen Statements kam aus den eigenen Reihen.

Während all dies innerhalb der Wissenschaft als normal gesehen werden kann, wurde diese Realität der Wissenschaft plötzlich auch gesellschaftlich transparent. Wissenschaft wurde sichtbarer denn je, und trotzdem führte dies nicht zu einer Stabilisierung ihrer Position in der Gesellschaft.

Jetzt wurde gefragt, ob dies eigentlich normal sei, dass Erkenntnisse so unsicher sind, dass sich Expert:innen öffentlich widersprechen, oder dass auf Basis so vieler Unsicherheiten trotzdem Entscheidungen getroffen werden müssen, die zum Teil massive gesellschaftliche Einschränkungen mit sich brachten. Öffentliche Angriffe auf Wissenschaftler:innen, Hasstiraden und Fake News vor allem in den Sozialen Medien wurden dabei sichtbar, die in diesem Ausmaß bis dahin nicht präsent gewesen waren.

Was können wir tun? Drei kurze Denkanstöße

Erstens: Es ist zentral, die Kommunikation von Wissenschaft grundlegend neu zu denken. Wissenschaft muss als Praxis gesellschaftlich besser verstanden werden. Dies bedeutet, aufzuzeigen wie Wissenschaft arbeitet, wie viele Menschen es braucht, um Wissen zu erzeugen, wie viel Zeit, Ressourcen und Arbeit die Produktion von Wissen benötigt, und wie mit den Unsicherheiten, die immer mit Wissen einhergehen, umgegangen werden kann.

Kurz: Wir müssen weg von einer Hochglanzbroschüren-Darstellung von herausragenden Einzelpersonen und plötzlichen Durchbrüchen. Es muss gelingen, mehr Auseinandersetzung mit den Realitäten in der Forschung zu ermöglichen, und wie diese unsere Gesellschaft gestaltet, aber gleichzeitig auch durch sie gestaltet wird.

Zweitens: Wissenschaft und Technologie sind immer schon Teil unserer Kultur, und sind bedeutsam für die Entwicklung unserer Gesellschaft. Wenn wir dies ernst nehmen, dann muss Kritik, Zweifel, Ambivalenz von und auf Seiten der Öffentlichkeit nicht ausschließlich als Ablehnung von Wissenschaft gelesen werden. Vielmehr ist kritische Auseinandersetzung und Hinterfragen von Entwicklungen eine Notwendigkeit, um das Ideal einer demokratischen Wissensgesellschaft leben zu können.

Drittens: Es geht schließlich auch um eine Veränderung der Beziehung von Politik und Wissenschaft, denn diese setzt wichtige Signale für eine breitere Öffentlichkeit. Wenn Wissenschaft nur in Pandemiesituationen auf die Bühne kommt und sonst eher ein Schattendasein in der Politik führt, und wenn sie hauptsächlich durch eine utilitaristische, ökonomisch gefärbte Brille des „Was bringt sie kurzfristig?“ gesehen wird, dann ist es nicht weiter erstaunlich, dass es schwierig scheint, sie als wesentliche, gestaltende Kraft in unserer Lebenswelt zu betrachten.

Univ.-Prof. Dr. Ulrike Felt
Vorständin des Instituts für Wissenschafts- und Technikforschung
Universität Wien