e&i aktuell: Ein Synonym für Qualität

Er hat über drei Jahrzehnte den Bereich Prüfwesen und Zertifizierung im OVE verantwortet und ist mit Ende März in den Ruhestand getreten: Im Interview für die aktuelle Ausgabe der e&i blickt Dipl.-Ing. Wolfgang Martin auf seine Zeit im OVE und auf die Entwicklung der Zertifizierung zurück.

e&i: Lieber Wolfgang, in Deiner Berufslaufbahn hat die Zertifizierung eindeutig die Hauptrolle gespielt – kannst Du zu Beginn erklären, was Zertifizierung eigentlich bedeutet?

Dipl.-Ing. Wolfgang Martin: Das Wort Zertifizierung hat einen klar definierten Charakter: Es kommt aus dem Lateinischen, von certus, das heißt bestimmt, sicher, gewiss. Im Prinzip bestätigt man in der Zertifizierung, dass ein Produkt, ein Unternehmen, eine Dienstleistung, ein Service oder auch eine Person bestimmten vorgegebenen Standards und Richtlinien entspricht und diese einhält. Inhärent war der Zertifizierung immer, dass sie durch eine dritte unabhängige Stelle durchgeführt wird. Heute wird das Wort Zertifizierung umgangssprachlich oft auch für verschiedenste Arten von Bestätigungen und Attestierungen verwendet, die nicht von dritter Stelle ausgeführt werden, man spricht etwa von CE-Zertifizierungen. CE-Kennzeichnungen im Bereich der Niederspannungsrichtlinie LVD werden jedoch nicht von unabhängiger Stelle ausgeführt und entsprechen somit keiner Zertifizierung. (…)

e&i: Heute tragen neben dem ÖVE-Prüfzeichen vor allem europäische und internationale Zertifizierungszeichen zum Erfolg von OVE Certification bei – wie konnte die Entwicklung vom nationalen zum internationalen Dienstleister gelingen?

Martin: (…) Der OVE hat vor dem EU-Beitritt Österreichs auf dem internationalen Markt praktisch keine Rolle gespielt. Gemäß Vorgabe des damaligen Bauten-Ministeriums durften wir nur mit österreichischen Kunden zusammenarbeiten. Diese Situation habe ich auch bei meinem Eintritt in den OVE 1989 vorgefunden. Wir haben dann sukzessive über die Jahre hinweg mit intensivem Einsatz und aktiver Mitarbeit der heimischen Prüfanstalten den Weg in Richtung internationale Tätigkeiten geebnet. Die Herausforderung war dabei nicht in erster Linie das technische Wissen, sondern die Sprache. Technisches Englisch war plötzlich gefragt – und das war aus der Historie heraus natürlich wenig vorhanden. Aber entweder hat man international mitgearbeitet, oder man war verloren, deshalb haben wir uns die notwendigen Sprachkenntnisse rasch angeeignet.

e&i: OVE Certification agiert heute national und international äußerst erfolgreich – welche Herausforderungen stellen sich aktuell in der Zertifizierung?

Martin: Zu den großen Herausforderungen zählt auf jeden Fall die Globalisierung. Wir haben uns mit OVE Certification in jenen Fachbereichen positioniert, in denen wir über langjährige und umfassende Expertise verfügen. In diesen Nischen, beispielsweise im Schutzschalterbereich, im Installationsbereich oder bei Leuchten und deren Komponenten, haben wir uns in den letzten Jahrzehnten ein Renommee erarbeitet, mit dem wir uns auch aus einem kleinen Land heraus am internationalen Markt sehr gut behaupten können. Wir nutzen für unsere Kunden das über Jahre hinweg aufgebaute internationale Netzwerk, sodass sie ihre Produkte, wo immer sie erzeugt werden, auch vor Ort einer Prüfung zuführen können. Die Zertifizierung als solches hat sich im Lauf der Zeit von einer reinen Produktzertifizierung hin zu einem umfassenderen Zertifizierungsvorgang, in den gesamte Systeme eingebunden werden, gewandelt. Man geht nicht mehr davon aus, dass einzelne Produkte eine hohe Produktlebensdauer haben, sondern dass sie permanent weiterentwickelt werden. Zertifizierungen müssen daher sehr kurzfristig zur Verfügung stehen und haben dann auch nicht mehr so lange Bestand, wie es früher war – heute müssen wir bei einer Zertifizierung oft schon das Fade-out einer Produktlinie mit einplanen. Unsere Zusammenarbeit mit den Firmen ist durch diese Entwicklung jedenfalls noch enger und tiefer geworden. (…)

e&i: Du bist 1989 nach dem Studium der Energietechnik an der TU Wien zum OVE gekommen und wurdest bereits 1990 zum Leiter der damaligen Sektion Prüfwesen und Zertifizierung ernannt – eine Funktion, die Du nun drei Jahrzehnte innehattest. Was war das Geheimnis Deines Erfolges?

Martin: Nach so kurzer Zeit bereits eine Leitungsfunktion zu bekommen, war sicher eine große Herausforderung für mich. Aber es war auch eine sehr aufregende Zeit: Die Europäisierung der Wirtschaft fand statt, der OVE musste sich komplett neu als international tätiger Zertifizierer aufstellen – eine spannende Aufgabe, die ich gerne übernommen habe. Wir haben die internen Abläufe anpasst, uns Wissen über finanz- und steuerrechtliche Aspekte und gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit ausländischen Kunden angeeignet und die bereits erwähnte sprachliche Barriere beseitigt. Bei derartigen Umwälzungen spielt natürlich das Team eine große Rolle. Als Führungspersönlichkeit muss man gewissermaßen als Motivator wirken und hat die Aufgabe, die Mitarbeiter von den gesetzten Zielen so zu überzeugen, dass man die Vorgangsweisen gemeinsam entwickeln kann. Das ist bis heute gelungen. Wir haben ein Team aufgebaut, das über viele Jahre hinweg – immer wieder auch ergänzt durch Neuzugänge – ausgezeichnet arbeitet und sich in harmonischer Weise ergänzt.

e&i: Mit Dipl.-Ing. Thomas Neumayer ist es auch ein Kollege aus Deinem Team, der in Deine Fußstapfen tritt und mit 1. April 2021 die Leitung von OVE Certification übernommen hat …

Martin: Thomas Neumayer und ich haben mehr als 20 Jahre als Partner und Kollegen zusammengearbeitet. Er ist ein ausgezeichneter Techniker mit hohem Praxisbezug, bedingt auch durch die Vielzahl von Fertigungskontrollen bei unseren nationalen und internationalen Firmenkunden. Er zieht seit vielen Jahren die Fäden zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, was den Bereich Inspektion betrifft. Er ist ausgebildeter Qualitätsmanager und kennt die Zertifizierungs- und Inspektionsstelle und ihren Betrieb bis ins Detail. Er hat somit aus meiner Sicht das beste Rüstzeug für die Herausforderungen der kommenden Jahre.

Das vollständige Interview mit Wolfgang Martin lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e&i.