e&i aktuell: Die Überwindung des Siliziumlimits

Mit Dr. Gerald Deboy baten wir für die aktuelle Ausgabe unserer Verbandszeitschrift einen seit vielen Jahren in Österreich tätigen Forscher zum Interview. Mit seinen Teamkollegen bei Infineon hat er einen Meilenstein in der Leistungselektronik gesetzt.

e&i: Herr Dr. Deboy, Sie gelten als einer der „Väter“ von CoolMOSTM, einer revolutionären Technologie von Infineon, die vor rund 20 Jahren die Leistungselektronik nachhaltig geprägt hat und nach wie vor weltweit zum Einsatz kommt. Können Sie kurz skizzieren, was das Besondere an CoolMOSTM ist?

Dr. Gerald Deboy: Die CoolMOSTM-Technologie ist wissenschaftlich auch unter dem Namen Superjunction bekannt. Es handelt sich dabei um Leistungshalbleiter auf MOSFET-Basis, die wir bei Infineon für Spannungsklassen von 500 Volt bis 900 Volt anbieten. In diesem Segment ist es sehr wichtig, Bauelemente mit einem möglichst niedrigen Einschaltwiderstand zu haben, die gleichzeitig hohen Spannungen sperren können. (…) Wir haben mit dieser neuen Technologie den eindimensionalen Raum verlassen und lagen bereits in der ersten CoolMOSTM-Generation etwa um den Faktor 2 unterhalb des Siliziumlimits. Heute sind wir etwa um den Faktor 10 darunter. Das heißt, wir haben bezogen auf die Chipfläche ein Zehntel des Widerstands, oder in anderen Worten: Für denselben Widerstand benötigen wir nur ein Zehntel der Fläche, das bedeutet mehr Bauelemente pro Wafer und eine Reduktion der Kosten des Bauelements. In jeder der bisher fünf Generationen konnten wir den Einschaltwiderstand im Bauelement verringern und die Bauelemente gleichzeitig auch schneller im Schalten machen. Damit reduzieren wir die Verlustenergie beim Abschalten.

e&i: Die Beständigkeit einer Technologie über mehr als zwei Jahrzehnte hat in der heutigen Zeit schon Seltenheitswert. Lässt sich CoolMOSTM noch weiterentwickeln, oder wird es in den nächsten Jahren von anderen Technologien abgelöst werden?

Deboy: Derzeit sehen wir das Potenzial, die Eigenschaften des Bauelements in den nächsten Generationen noch einmal um 30 oder 40 Prozent zu verbessern. Das ist ein großer technologischer Schritt. Die Limitierungen des Konzepts werden wir erreichen, wenn eine weitere Verringerung der Dimensionen der Zelle so aufwendig wird, dass man keine Kostenersparnis mehr bekommt. Das spannende Thema für die nächsten Jahre ist aber auf jeden Fall der Übergang von Siliziumtechnik auf die Wide-Bandgap- Technologien mit Siliziumkarbid und Galliumnitrid. Dieser Technologiewechsel ist sicherlich eine weitere epochale Änderung in der Leistungselektronik, und auch eine große Herausforderung, denn Wide-Bandgap-Technologien basieren auf anderen Materialsystemen, die Bauelemente verhalten sich anders, insbesondere die Galliumnitrid- Transistoren. Ich beschäftige mich zur Zeit intensiv damit, den Systemnutzen von Siliziumkarbid und Galliumnitrid bei den Kunden auszuloten und mit der Siliziumtechnologie zu vergleichen. Wir sind jetzt jedenfalls an dem Punkt, wo die Wide-Bandgap-Bauelemente aus der akademischen Forschung in die tatsächliche Anwendung übergehen. Bei Infineon gehen wir davon aus, dass jede der drei Technologien Silizium, SiC und GaN ihre Berechtigung hat und alle drei in einem kontinuierlichen Übergang zumindest für die nächsten zehn oder 15 Jahre parallel existieren werden.

e&i: Bleiben wir bei CoolMOSTM: Wo findet diese Technologie Anwendung?

Deboy: Es ist eine Schlüsseltechnologie für Leistungshalbleiter-Bauelemente, im Segment der 600-Volt-Klasse ist Superjunction bzw. CoolMOSTM sicherlich eine absolute Benchmark. Zum Einsatz kommt sie immer dann, wenn Spannungen oder Ströme gewandelt werden. Das ist in großen Serverfarmen, in Datencentern, in Telekom-Anlagen, aber auch in Ladegeräten für Laptops und Handys oder festinstallierten Ladestationen für Elektroautos erforderlich. Damit hat CoolMOSTM eine sehr breite Anwendungsspanne; mit ein und derselben Technologie decken wir einen Leistungsbereich von 20 Watt bis 20 Kilowatt ab. Wir haben uns auch mehrfach an Best Practice-Beispielen im Zusammenhang mit der Energiewende beteiligt und so etwa der Europäischen Kommission demonstriert, wie man Verlustleistung reduzieren kann oder welche Wirkungsgrade bei Schaltnetzteilen erreichbar sind, um aufzuzeigen, was beim heutigen Stand der Technik an Energieeinsparung möglich ist. Das ist für uns ein ganz zentrales Thema: Der Einsatz von Leistungshalbleiter-Bauelementen hinterlässt einen sehr positiven Fußabdruck – der Energieaufwand zur Herstellung der Bauelemente ist ein Bruchteil dessen, was die Bauelemente dann in ihrer Lebenszeit an Energieeinsparung zurückspielen.

Das vollständige Interview mit Gerald Deboy lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e&i.