e+i aktuell: Energiesystem im Wandel


Die e+i hat mit IG Windkraft-Geschäftsführer Stefan Moidl über das Potenzial von Windkraft in Österreich und energiepolitische Fragestellungen gesprochen.

e+i:  Windkraftanlagen sind Hightech-Produkte. Sind wir in Österreich auf ausländische Zulieferer angewiesen?

Moidl: Es ist wenig bekannt, dass wir in Österreich tolle Weltmarktführer im Zulieferbereich haben, zum Beispiel Bachmann electronic, Palfinger, Miba, ELIN Motoren, Hexcel oder Eologix, die Eisdetektoren für Windradflügel erfunden haben.

Überhaupt sind wir „Cold Climate-Pioniere“, denn der Windpark Oberzeiring war neun Jahre seines Bestehens der mit Abstand höchste Windpark der Welt. Die Hersteller haben dabei gelernt, was es bedeutet, im Winter auf 1.900m Höhe Windkraftanlagen zu betreiben. Das war eine technische Herausforderung, aber sonst hätte man keine Erfahrung gesammelt, und es würde heute keine Windparks in den Anden auf 3.500 m Höhe geben.
 

e+i: Stichwort Wirtschaftsstandort Österreich: In Deutschland gibt es Überlegungen, Windkraft zur strategischen Infrastruktur zu erklären, um den Wertschöpfungsanteil Europas wieder zu erhöhen. Wie sind diesbezüglich aktuell die Verhältnisse in der Branche?

Moidl: In den letzten Jahrzehnten hat sich viel getan. Europa war der Kontinent, der die Photovoltaik vorangetrieben hat – und dann haben wir die Produktion ausgelagert. Auch in der Windenergiebranche sieht man, dass Deutschland zigtausende Arbeitsplätze verloren hat.

Darüber ist lange nicht diskutiert worden, jetzt ist es aber mit dem Net Zero Industry Act der EU ein Thema. (...)

Fakt ist: Wir haben ein großes Problem, weil die Technik natürlich den Absatzmärkten folgt und die meisten Windräder in Asien gebaut werden. Wir sind jetzt leider schon damit konfrontiert, dass im Frühjahr weniger Abrufe bei den Herstellern erfolgt sind und dass es weniger Investment gegeben hat als im Jahr davor. (...) Auch Österreich ist weit weg von den Ausbauzahlen, die wir schon gehabt haben.

2014 sind zum Beispiel Anlagen mit insgesamt 420 MW gebaut worden, letztes Jahr waren es nur 315 MW.
 

e+i:  Worin sehen Sie – abgesehen von der instabilen wirtschaftlichen Lage und ungünstigen politischen Entwicklungen – die Ursachen hierfür?

Moidl: Wir brauchen eine Politik, die die Energieversorgung als zentrales Anliegen anerkennt und abseits von Parteipolitik die Energiewende aktiv vorantreibt. Vor allem auf Landesebene fehlen die Flächen für den Windkraftausbau und oft auch klare Zielsetzungen. Ein Thema sind außerdem die Bewilligungen nach dem Umweltverträglichkeitsgesetz.

Dauerten diese früher ein Jahr, werden heute zwei benötigt. Ein Windkraftbescheid vor 15 oder 20 Jahren war 15 bis 30 Seiten lang, jetzt umfasst er oft 300 Seiten.

Das neue UVP-Gesetz hat aber ganz wesentliche Verbesserungen gebracht, zum Beispiel eine klarere Strukturierung des Verfahrens. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, das im Jänner angekündigt worden ist, gibt es dann auch unterhalb der UVP-Schwelle keine voneinander getrennten Verfahren mehr. (...)

Stefan Moidl, Geschäftsführer IG Windkraft ©Astrid Knie
"Wir brauchen eine Politik, die die Energieversorgung als zentrales Anliegen anerkennt und abseits von Parteipolitik die Energiewende aktiv vorantreibt."
Geschäftsführer IG Windkraft

e+i:  Um die Klimaziele zu erreichen und die Erderhitzung einzudämmen, müssen wir bis 2025 jedes Jahr mindestens 180 GW neue Kapazitäten installieren. Darüber hinaus müssen diese Installationen nach 2030 auf 280 GW aufgestockt werden, um bis 2050 CO2-Neutralität zu erreichen. Wie kann das Ihrer Meinung nach gelingen?

Moidl: Ich glaube, es geht darum, das gesamte Energienutzungssystem radikal zu verändern. Sonst ist diese Herausforderung überhaupt nicht erreichbar. Aber es macht einen hoffnungsfroh, dass wir mit der Technik, die wir heute schon einsetzen, unglaublich viel machen könnten.

Die durchschnittliche Windkraftanlage hat mittlerweile schon über 6,5 MW Leistung und produziert 15 Mio. kWh pro Jahr. Das sind ja irrsinnige Energiemengen.
 

e+i:  Wie kann man sich den Zeitlauf bei der Entstehung einer – doch sehr komplexen – Windkraftanlage vorstellen, von der Bewilligung bis zum Betrieb?

Moidl: Mittlerweile leider durchschnittlich sehr lange, also fünf bis acht Jahre. In Niederösterreich kann man zum Beispiel nur auf Flächen, die vom Land ausgewiesen sind, eine Widmung mit Gemeinderatsbeschluss erwirken. Dann ist da noch das eigentliche Verfahren.

Wenn die Anlage nicht schnell genug realisiert werden kann, braucht man wieder ein Abänderungsverfahren, weil man natürlich keine veralteten Anlagen errichten wird. Und die Errichtung dauert eben auch unterschiedlich lange. (...)
 

e+i:  Wo liegt bei Windkraftanlagen die Grenze?

Moidl: Das ist schwierig zu sagen. Dazu befragt man die unterschiedlichsten Fachleute, die sich aber oft verschätzen, weil sich alles viel schneller entwickelt als gedacht. Eine Schwäche sind aber sicher die Rotorblätter. Geteilte Blätter haben sich bisher nicht bewährt, und bei sehr langen Blättern steht man vor technischen und logistischen Herausforderungen.

Österreich war aber immer innovativ. Es gibt zum Beispiel dieses Schwerlastspezialfahrzeug für Windkraftflügel, auf dem der Flügel in einem Winkel von bis zu 62 Grad aufgestellt werden kann. Prangl hat das als erstes Unternehmen so gemacht, und damit müssen wir keine Bergstraßen oder Straßen um Ortsgebiete mehr ausbauen.
 

e+i:  Sie sind seit 2010 Geschäftsführer der IGW. Welche Entwicklung, welche Projekte konnten Sie in den letzten Jahren mitgestalten?

Moidl: 2010 hatten die Windkraftanlagen eine Gesamtleistung von knapp unter 1.000 MW, jetzt haben wir 3.500 MW Leistung. Natürlich gibt es regionale Unterschiede. Das Burgenland erzeugt etwa 150 % des Landesstromverbrauchs aus Windkraft und versorgt damit auch Wien, denn eine Stadt wie Wien kann man auf der eigenen Fläche nicht versorgen.

Mit der Studie „Stromzukunft Österreich 2030“ haben wir mit der TU Wien modelliert, was es für 100 % erneuerbaren Strom braucht. Dabei ist ganz klar herausgekommen, dass es wichtig ist, wie die Energiewende umgesetzt wird.

Wenn zum Beispiel ein Drittel der PKWs 2030 elektrisch fährt, macht es einen Unterschied, ob sie preisinduziert zu gewissen Zeiten oder einfach irgendwann geladen werden.

Da braucht es Kreativität und Marktmodelle. Es ist fantastisch, wie groß der technische Erfindergeist des Menschen ist, aber bei allem, was benötigt wird, um das auch rasch in die Breite zu bringen, gibt es noch Luft nach oben. (...)

Das vollständige Interview mit Stefan Moidl lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".

 

 

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