Interview mit Sonja Zahradnik-Leonhartsberger

Die studierte Betriebswirtin Sonja Zahradnik-Leonhartsberger zeichnet bei Wien Energie für die beiden überaus erfolgreichen Start-Ups SPAROX.eu und SPAROX3D verantwortlich.

Im OVE Fem-Interview gab die erfahrene und sympathische Geschäftsfrau Einblicke in den Weg von der Idee zum tatsächlichen Rollout.

Essentiell für den durchschlagenden Erfolg sind neben profundem Know-how auch Durchhaltevermögen und eine große Portion Optimismus. Die IT-affine Nicht-Technikerin und vierfache Mutter in einer Patchwork-Familie meistert ihre täglichen Herausforderungen mit viel Engagement und Zielstrebigkeit und versucht trotzdem, in Balance zu bleiben.

Im Gespräch mit Sonja Zahradnik-Leonhartsberger

OVE Fem Aktuell: Frau Zahradnik-Leonhartsberger, nach Ihrem ersten Job bei der Raiffeisen Gruppe haben Sie als Wirtschaftswissenschaftlerin in technisch orientierten Unternehmen Fuß gefasst – zuerst bei der ONE GmbH, heute Hutchison Drei Austria GmbH, danach haben Sie sich vom Mobilfunk weg in Richtung Energie bewegt. Bei Wien Energie leiten Sie nun die innovativen Corporate Start-Ups der Wien Energie – SPAROX.eu und SPAROX3D. Können Sie kurz beschreiben, worum es bei diesen beiden Corporate Start-Ups geht?

Sonja Zahradnik-Leonhartsberger:  www.SPAROX.eu ist eine neue Plattform für Ersatzteile im Energiesektor. Es ist die größte Plattform dieser Art im deutschsprachigen Raum, mit der wir ein gut etabliertes Netzwerk geschaffen haben, in dem sich Anlagebetreiber schnell helfen können und in dem man Ersatzteile beziehen kann. So ähnlich wie ein „Amazon für Ersatzteile“, erweitert um eine schnelle Hilfe aus dem Netzwerk.

PAROX3D wiederum nutzt die Technologie des 3D-Drucks für eine schnelle Produktion von nicht mehr verfügbaren Ersatzteilen und ist ein Teil von www.SPAROX.eu. Zudem werden bei SPAROX3D auch Ersatzteile optimiert, was den größten Teil des Erfolges ausmacht. Mit SPAROX3D werden Ersatzteile aus Metall und Kunststoff hergestellt.

 

OVE Fem Aktuell: Das Corporate Start-Up SPAROX ist ja im Rahmen der Wien Energie Innovation Challenge Sprint Edition 2018 entstanden. Wie läuft die Wien Energie Innovation Challenge genau ab und wer darf mitmachen?

Zahradnik-Leonhartsberger: Die Innovation Challenge ist ein Innovationsformat der Wien Energie, bei dem Mitarbeiter/innen die Möglichkeit bekommen, fernab von ihrer Linientätigkeit eigene Ideen sehr schnell in Prototypen bzw. Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.

Einige Teams arbeiten im Rahmen der Innovation Challenges auch oft mit Start-Ups oder KMUs zusammen, um deren Lösungen auf Wien Energie Use Cases anzupassen oder ein gemeinsames Produkt zu entwickeln.

 

OVE Fem Aktuell: Und wer entscheidet dann, welche Projekte angenommen bzw. weiterentwickelt werden?

Zahradnik-Leonhartsberger: Die Entscheidungen, welche Projekte nach einer drei bis vier-monatigen Acceleration Phase tatsächlich umgesetzt werden, trifft eine Jury bestehend aus Bereichsleitern und der Wien Energie-Geschäftsführung.

 

OVE Fem Aktuell: Können Sie uns mehr über den Weg von der Idee, bei der Innovation Challenge mitzumachen, bis hin zum „fertigen“ Produkt erzählen? Welche Herangehensweise haben Sie gewählt und welche Stationen mussten durchlaufen werden?

Zahradnik-Leonhartsberger: Als Betriebswirtin war es für mich klar, dass sich der 3D-Druck für Ersatzteile unter bestimmten Bedingungen rentieren muss. Daher habe ich diese Idee bei der Innovation Challenge der Wien Energie eingebracht.

Die Idee wurde von einer internen Jury als entwicklungswürdig ausgewählt, danach hatten wir drei Monate Zeit bis zu einer Entscheidung über das Fortkommen der Idee gehabt. In dieser Zeit haben wir die Technologie intern und extern evaluiert sowie gemeinsam mit einem Forschungsinstitut die ersten groben Anwendungsfälle für den 3D-Druck identifiziert.

Zusätzlich haben wir realisiert, dass die Verfügbarkeit der Ersatzteile ein großes Thema im Hinblick auf die Anlagenverfügbarkeit ist und dass dieses Thema für viele andere Anlagenbetreiber im Energiesektor relevant ist. So fiel der Grundstein für die Entwicklung der IT-Plattform www.SPAROX.eu.

 

OVE Fem Aktuell: Und wie ging’s dann weiter?

Zahradnik-Leonhartsberger: Nach einer erfolgreichen Vorstellung vor der Jury haben wir die Plattform www.SPAROX.eu mit anderen Anlagenbetreibern entwickelt.  Anfangs haben wir uns nur auf Müllverbrennungsanlagen im deutschsprachigen Raum fokussiert. Nach dieser erfolgreichen Pilotphase bedienen wir nun alle Energieerzeugungsarten sowie Energienetzbetreiber im deutschsprachigen Raum.

Und der Erfolg gibt uns Recht – seit Anfang 2020 haben wir bei der Partneranzahl einen mehr als 200%igen Anstieg. Wir konnten auch die Notfallanfragen – d. h. ein Anlagenstillstand droht, und das Ersatzteil kann auf dem üblichen Beschaffungsweg nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden – erfolgreich durchführen.

 

OVE Fem Aktuell: Steigende Nachfrage also. Aus aktuellem Anlass: Spüren Sie bereits Auswirkungen der COVID-Pandemie?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ja, definitiv, gerade in der jetzigen Zeit des Corona-Virus schießen die Neuregistrierungen der Partner förmlich durch die Decke. SPAROX hilft die Ersatzteilverfügbarkeit im Hinblick auf die Anlagenverfügbarkeit der kritischen Infrastruktur hoch zu halten.

 

OVE Fem Aktuell: … und parallel zur Entwicklung von www.SPAROX.eu hatten Sie auch schon den 3D-Druck im Visier…

Zahradnik-Leonhartsberger: Ja, seit der Juryentscheidung begannen wir auch, mit dem 3D-Druck viele der identifizierten Anwendungsfälle erfolgreich umzusetzen. Nach einer Inkubationszeit von ca. einem halben Jahr wurde bei Wien Energie die Produktion der ersten Ersatzteile gestartet.

Innerhalb von zwölf Monaten konnten wir durch die Produktion der optimierten Ersatzteile bzw. nicht mehr verfügbaren Ersatzteile bei Wien Energie einen mittleren sechsstelligen Betrag einsparen sowie Anlagenstillstände verhindern – ein voller Erfolg für Wien Energie.

Der Erfolg des 3D-Drucks ist so groß, dass ich nun auch für die konzernweite Projektleitung der Implementierung bei den Wiener Stadtwerken verantwortlich bin.

 

OVE Fem Aktuell: Das klingt alles nach einem Riesenerfolg mit diesem innovativen Geschäftsmodell. Herzliche Gratulation!

Zahradnik-Leonhartsberger: Wir bieten unsere 3D-Druck-Dienstleistungen inkl. Konstruktion- und Optimierungsfähigkeiten auch auf www.SPAROX.eu an – ein Blick lohnt sich auf jeden Fall ?!

 

OVE Fem Aktuell: Die SPAROX-Plattform ist nun seit Februar 2019 online und läuft – wie man Ihren Ausführungen und auch dem Feedback auf Ihrer Website entnehmen kann – überaus gut. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit diesem Projekt?

Zahradnik-Leonhartsberger: Innovationsprojekte sind sehr spannend und bringen viele Höhe- und Tiefpunkte mit sich. Absolut notwendig ist das Durchhaltevermögen, auch wenn es manchmal nicht rund läuft. Umso größer ist die Freude über gelungene Sprints und die erreichten Meilensteine. Alle Teammitglieder bringen viel Herzblut mit, das hilft uns sehr, die schwierigeren Phasen mit Optimismus zu meistern.

Nicht zuletzt haben wir eine große Unterstützung seitens des Wien Energie-Managements, das uns vertrauensvoll die benötigten Ressourcen zur Verfügung stellt. Also zusammenfassend – der persönliche Einsatz ist durchaus groß, und es macht uns allen sehr viel Spaß.

 

OVE Fem Aktuell: Als Wirtschaftswissenschaftlerin und somit Nicht-Technikerin beschäftigen Sie sich mit Ersatzteilmanagement für den Energiesektor. In wie weit müssen Sie bei Ihrer täglichen Arbeit auf technisches Know-how zurückgreifen und wenn ja, wie haben Sie sich dieses angeeignet?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ich habe Technik immer sehr spannend gefunden, die Begeisterung bringe ich also mit. Ich habe das Glück, dass die Kolleg/innen aus dem technischen Bereich mir bei Fragen immer zur Seite stehen. Zusätzlich lese ich auch viel und eigne mir dadurch ständig weiteres Wissen an.

 

OVE Fem Aktuell: … und, andersrum gefragt: In wie weit können Sie Ihre Erfahrungen aus dem Wirtschaftsstudium in Ihre tägliche Arbeit einbringen?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ein Teil des Erfolges ist sicher, dass ich durch mein breites Wissen aus verschiedenen Disziplinen einen anderen Blickwinkel mitbringe und manchmal auch die Techniker/innen auf neue Wege bringe, die sich für mich aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive eröffnen.

Meine Erfahrungen als Betriebswirtin bringe ich ständig bei SPAROX und SPAROX3D ein. Wir führen nur solche Tätigkeiten durch, die auch einen betriebswirtschaftlichen Erfolg versprechen. Diese Verbindung aus der technischen und betriebswirtschaftlichen Perspektive ist aus meiner Sicht wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung der Corporate Start-Ups SPAROX und SPAROX3D.

 

OVE Fem Aktuell: Wo sehen Sie die beiden Corporate Start-Ups in drei Jahren? Gibt es Vorstellungen, Ziele, …?

Zahradnik-Leonhartsberger: Die Entwicklungen sind sehr dynamisch. Auf jeden Fall wollen wir das „Amazon für Ersatzteile“ im deutschsprachigen Energiesektor werden bei gleichzeitiger erfolgreicher Anwendung der 3D-Druck-Technologie.

Derzeit fokussieren wir uns auf eine umfassende Hilfe in der aktuellen Krisensituation.

 

OVE Fem Aktuell: Während Ihres Studiums haben Sie sich u. a. auf das Thema Gender- und Diversitätsmanagement spezialisiert. In der Zwischenzeit ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen – was hat sich auf diesem Sektor aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren getan?

Zahradnik-Leonhartsberger: Es freut mich zu sehen, dass die nachfolgende Generation der Frauen viel selbstbewusster auftritt und auch mehr Forderungen stellt, die zunehmend stärker akzeptiert bzw. als Selbstverständlichkeit erachtet werden.

Diese Entwicklung unterstütze ich sehr, denn nur so können wir als Gesellschaft vom Potential aller Menschen – ob Frauen oder Männer – bestmöglich profitieren. Und für uns Frauen ist es auch sinnerfüllend, wenn wir uns voll entfalten können.

 

OVE Fem Aktuell: Stichwort „Gleichberechtigung“ – was meinen Sie dazu?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ich denke, dass die Gleichberechtigung den Alltag leider noch nicht in allen Bereichen durchdrungen hat. Zu einer vollständigen Gleichberechtigung ist es aus meiner Sicht noch ein langer Weg. Umso mehr freue ich mich über die Aktivitäten, die Regierungen, NGOs und Unternehmen, wie Wien Energie, in diesem Bereich setzen.

 

OVE Fem Aktuell: OVE Fem steht für ein lebendiges Netzwerk, das sich für Erfahrungs- und Wissensaustausch unter Fachexpertinnen einsetzt und Frauen-Leadership fördert. Wie wichtig war für Sie der Netzwerk-Gedanke auf dem Weg zu Ihrer jetzigen Position?

Zahradnik-Leonhartsberger: Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn habe ich keine Frauennetzwerke wahrgenommen. Seit einigen Jahren erlebe ich die Frauennetzwerke mit Fokus auf Fachexpertise und Frauen-Leadership – wie auch OVE Fem eines ist – als eine Bereicherung in meinem beruflichen Leben.

Für mich war es beispielsweise sehr inspirierend von der Microsoft General Managerin von Österreich zu hören, dass auch sie nicht immer gewusst hat, ob alles gut ausgeht und dass wir Frauen mehr Mut aufbringen sollen.

An OVE Fem finde ich gut, dass die fachlichen Inhalte bei den Veranstaltungen sehr gut auf Frauenthemen zugeschnitten und dadurch wirklich relevant sind, denn wir Frauen weisen aufgrund gesellschaftlicher Strukturen unbewusst teilweise nach wie vor bestimmte Handlungsmuster auf bzw. folgen diesen. Bei dem Erfahrungs- und Wissensaustausch können diese unbewussten „Verhaltensmuster“ aufgebrochen werden.

 

OVE Fem Aktuell: Wir brauchen also Role-Models – wie sieht es mit dem Erfahrungsaustausch aus?

Zahradnik-Leonhartsberger: Dieser ist für mich persönlich ganz wichtig; so können wir alle erleben, dass wir oft mit ähnlichen Herausforderungen „kämpfen“, aber auch sehen, dass ein – manchmal steiniger – Weg zum Erfolg führt.
Zusammenfassend kann ich eine Teilnahme an Frauennetzwerken, und natürlich insbesondere bei OVE Fem, sehr empfehlen.

 

OVE Fem Aktuell: Sie sind Mutter von vier Kindern in einer Patchwork-Familie und haben ein erfülltes Berufsleben. Wie bringen Sie alles in Einklang und was raten Sie Frauen, die noch am Anfang ihrer Karriere- und Familienplanung stehen?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ich habe immer gerne gearbeitet, daher bin ich auch nicht lange in der Karenz geblieben. Meine Familie und meine Kids sind für mich sehr wichtig und die Quelle meiner täglichen Freude. Dennoch wollte ich mich nicht ausschließlich auf die Mama-Rolle reduzieren lassen, obwohl das hin und wieder von mir erwartet wurde.

Mein Rat an alle Frauen am Anfang ihrer Karriere- und Familienplanung ist es, nicht zu vergessen, dass es abseits des Familienlebens auch ein erfülltes Berufsleben gibt, dass die Arbeit Spaß macht und vor allem, dass man sich nicht bei den ersten Hürden entmutigen lassen darf.

Wir müssen uns selbst für unsere Ansprüche stark machen, das wird selten jemand anderer für uns tun! Weiters empfehle ich jeder Frau, die Chancen zu ergreifen, wenn sie da sind, denn die großen Chancen kommen nicht allzu oft. Und zuletzt möchte ich auch den jungen Frauen ans Herz legen, über ihre Erfolge zu sprechen, damit diese auch sichtbar werden und bleiben.

 

OVE Fem Aktuell: … ganz nach dem Motto „Tu‘ Gutes und sprich darüber!“… Wie Sie wissen, haben wir uns mit dem Projekt Girls! TECH UP der Nachwuchsförderung verschrieben. Wie lautet Ihr Rat an 12- bis 16-jährige Mädchen, die bezüglich Berufswahl noch unschlüssig sind?

Zahradnik-Leonhartsberger: Mir wurde in meinen jungen Jahren sehr davon abgeraten, mich in der IT zu vertiefen. Letztlich beschäftige ich mich dennoch intensiv mit IT – aber hin und wieder vermisse ich dieses profunde und professionelle IT-Wissen.

Aus meiner Erfahrung kann ich jungen Mädchen empfehlen: Fühlt in euch rein, was euch wirklich Spaß macht! Ihr wisst am besten, was euch interessiert, und diesem inneren Ruf solltet ihr folgen. Und: Lasst euch ja nicht entmutigen, wenn euch jemand erzählt, dass Technik nichts für Mädels ist!

 

OVE Fem Aktuell: Abschließend: Sie sind eine vielbeschäftigte Frau – wie kommen Sie zur Ruhe?

Zahradnik-Leonhartsberger: Ich arbeite täglich daran ?! Ich kann durch einige Tätigkeiten zur Ruhe kommen – z. B. führe ich gerne lange Gespräche mit meiner Familie, ich spiele sehr gerne mit meinen Kids, ich lese Bücher, und ich mache hin und wieder Sport.

Dadurch halte ich die Balance und bleibe am Boden. Aber zugegebenermaßen – die derzeitige Situation mit Home Office und Betreuungspflichten ist auch für mich durchaus sehr herausfordernd. Hier hilft nur Durchhalten.

OVE Fem Aktuell: Vielen Dank für das Interview, und: Bleiben Sie gesund!