Interview mit Mahboobeh Bayat

Mahboobeh Bayat, gebürtige Iranerin, ist Key Account Managerin bei Siemens Industry Software mit Schwerpunkt auf Lösungen und Dienstleistungen in Industrie und Asset Management.

Nach erfolgreicher Schullaufbahn und begonnenem Studium in ihrer Heimat absolvierte Frau Bayat an der TU Wien das Studium der Technischen Informatik.

Im Interview verrät die zweifache Mutter, worauf sie stolz ist, mit welchen Herausforderungen sie im beruflichen Alltag konfrontiert ist und woher sie ihre innere Ausgeglichenheit nimmt.

Im Gespräch mit Mahboobeh Bayat

OVE Fem Aktuell: Frau Bayat, wirft man einen Blick auf Ihren Lebenslauf, kann man mit Fug und Recht sagen, dass Sie eine waschechte „Siemensianerin“ sind. Ihre Karriere bei Siemens begann quasi mit einem Ferialjob in der Siemens Software Entwicklung. Was bedeutet für Sie die Arbeit bei Siemens?

Mahboobeh Bayat: Siemensianerin zu sein hat den großen Vorteil, dass man international und für verschiedenste Bereiche tätig sein kann. Ich habe in unterschiedlichen Ländern gelebt und an Projekten gearbeitet. Dabei habe ich verschiedene Branchen und Business-Modelle im Detail kennengelernt.

Es gibt auch viele Möglichkeiten für Weiterbildung – das ist auch ein großer Vorteil der Arbeit für Siemens. Ich habe zum Beispiel meine Ausbildung Executive MBA für Mergers and Acquisitions aus Eigeninitiative gestartet und nebenberuflich abgeschlossen. Dafür hatte ich von meinem Arbeitgeber Unterstützung und kann heute das Gelernte in meiner aktuellen Funktion einbringen.

 

OVE Fem Aktuell: Gehen wir einen Schritt zurück in Ihrem Lebenslauf: Sie sind gebürtige Iranerin, haben ein mathematisches Gymnasium in Ihrer Heimat besucht und anschließend mit dem Studium der Elektrotechnik an der Azad-Universität begonnen, nicht unbedingt der typische Weg eines Mädchens…

M. Bayat: Ich war nie das „typische“ Mädchen, meine Neugier war grenzenlos. Ich war immer aktiv, habe viele Fragen gestellt, wollte Vieles entdecken und habe die Jungs herausgefordert. Die Wissenschaft im Allgemeinen und die Mathematik im Speziellen bieten gute Möglichkeiten für das Stellen von Fragen, für Neugier und letztlich auch für Diskussionen.

 

OVE Fem Aktuell: Gab es Role Models für Sie?

M. Bayat: Meine iranischen Role Models waren meine Großmutter und meine Mutter, die komplett unterschiedlich waren. Die Oma war eine gelassene lebensfrohe Person mit einer gewissen Leichtigkeit. Meine Mutter dagegen war eine disziplinierte, strukturierte Direktorin.

Mir war schon als kleines Mädchen klar, dass ich von beiden etwas in mir habe. Somit war mein Weg von Offenheit (Oma) und Zielstrebigkeit (Mutter) geprägt. Meine Familie war generell nicht so streng wie das System, ich wurde ermutigt und unterstützt. Meine Familie gab mir das Umfeld für Wachstum und Entwicklung, für Tanzen und Ausprobieren...

 

 OVE Fem Aktuell: Von der Azad-Universität wechselten Sie in den 1990er-Jahren an die TU Wien – zuvor mussten Sie einen Vorstudienlehrgang in Wien absolvieren. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

M. Bayat: Ich habe kein Wort Deutsch gesprochen. Im Vorstudienlehrgang habe ich meine ersten internationalen Kontakte geknüpft, die teilweise heute noch Freunde und gute Bekannte sind.

Ich musste Prüfungen auf Matura-Niveau in den Fächern Deutsch, Mathematik, Physik und Chemie absolvieren, daher habe ich ausschließlich gelernt!  Den Vorstudienlehrgang habe ich dann nach zwei – statt den geplanten vier – Semestern abgeschlossen. Darauf bin ich heute noch stolz.

 

OVE Fem Aktuell:An der TU Wien haben Sie dann Informatik studiert – wie stellte sich das technische Studium in Wien im Vergleich zu Ihren Erfahrungen in Ihrem Heimatland dar?

M. Bayat: Schwer vergleichbar. Die Uni im Iran war anders organisiert und strukturiert; es war dort strikter und gab Anwesenheitspflicht. Und es gab klare Vorgaben für die Prüfungen und Abschlüsse. An der TU Wien habe ich viel selbst organisieren müssen. Ich musste einen Kulturschock bewältigen: Sprache und Uni-Kultur waren komplett konträr.

Das eine ICH – das lebensfrohe, gelassene Mädchen – musste an der TU Wien etwas zurückgedrängt werden, damit das andere ICH – die strukturierte Kämpferin – Gas geben konnte.

Mir einen Überblick zu verschaffen und diesen auch zu behalten, meine Ziele zu erreichen und meine eigenen Erwartungen zu erfüllen – all das hat mich gut ausgelastet. Ich habe das Informatik-Studium in den geplanten zehn Semestern abgeschlossen.

 

OVE Fem Aktuell:Bei Siemens sind Sie als Frau in der Technik die Karriereleiter relativ rasch hochgeklettert – Kompetenz, Zielstrebigkeit, Glück – welche Ingredienzien beschreiben für Sie Ihren persönlichen Erfolgsweg?

M. Bayat: Kompetenz und Zielstrebigkeit bilden einen Teil. Darüber hinaus hat mir sicher auch meine Offenheit geholfen: Offenheit für Herausforderungen, aber auch Offenheit, wenn es darum geht, mir Unterstützung zu holen und Fragen zu stellen sowie meine Offenheit, auch andere zu unterstützen.

Und sonst? Motivation, Achtsamkeit und Durchsetzungsvermögen, Zielstrebigkeit – aber nicht um jeden Preis – und Gelassenheit.

 

OVE Fem Aktuell:Sie haben verschiedene Positionen durchlaufen und sind aktuell Enterprise Sales Executive. Mit welchen Aufgaben sind Sie hier konkret betraut?

M. Bayat: Ich habe eine Schnittstellenfunktion zwischen unseren Kunden und dem Unternehmen und bin generell mit Markt- und Kundenanalysen als Basis für die Vertriebsstrategie betraut. In weiterer Folge fallen die Stärkung von Kundenbeziehungen, Kundebindung sowie der Aufbau von strategischen Partnerschaften in meinen Aufgabenbereich.

Damit verbunden sind dann wiederum Sales-Prozesse, die Ausführung von Sales-Projekten, Konditionsvereinbarungen sowie die Gestaltung von Verträgen. Auch Präsentationen und Vorträge im Rahmen von Branchen-Veranstaltungen gehören zu meinem Tätigkeitsbereich. Des Weiteren bin ich verantwortlich für das Reporting und Forecasting in CRM-Systemen sowie für die Berichterstattung an den General Manager.

 

OVE FEM Aktuell:Und: Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

M. Bayat: Die erste Challenge an einem typischen Arbeitstag ist immer, pünktlich und gut gelaunt zu viert (zwei Volksschulkinder schaffen es noch nicht ohne Unterstützung) aus dem Haus zu kommen. Gut vorbereitete Termine mit genügend Zeitreserve füllen den Tag; die Flexibilität für Zwischendurch-Aktionen mit der Schule und den Kids ist immer wieder ein Zusatzbonus.

 

OVE Fem Aktuell: Weil Sie Ihre Kinder erwähnen: Wie bringen Sie Ihren verantwortungsvollen Job bei Siemens mit der Rolle als Mutter unter einen Hut?

M. Bayat: Klare Priorität hat für mich immer, dass eine qualitätsvolle Betreuung der Kinder gesichert ist. Mit diesem Wissen im Hinterkopf geht es fokussiert zu Kundenterminen mit anschließender Abarbeitung der geäußerten Wünsche.

Und sämtliche vorhin beschriebene Agenden werden im Laufe eines Arbeitstags von mir erledigt. Für die Dienstreisen unter der Woche – vor allem mit Auswärtsübernachtungen – bedarf es einer guten Vorausplanung. Hier ist auch starkes Teamwork mit meinem Partner wesentlich!

 

OVE Fem Aktuell:Inwiefern greifen Sie heute noch täglich auf technisches Studienwissen zurück?

M. Bayat: Meine akademischen Ausbildungen bilden eine wichtige Basis für den Job, den ich heute mache. Eine technisch-kaufmännische Ausbildung ist notwendig, um unsere Projekte und die Anforderungen von Kunden verstehen zu können.

 

OVE Fem Aktuell: Unsere Gesellschaft ist seit einiger Zeit im Umbruch: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, New Work – um nur ein paar Schlagworte zu nennen… Inwiefern hat sich für Sie persönlich die Arbeitswelt seit Ihrem Ferialjob bei Siemens vor über 20 Jahren bis heute geändert?

M. Bayat: Durch die Digitalisierung haben sich tiefgreifende Änderungen in meiner Arbeitswelt ergeben. Generell verlangen die durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungen hohe Flexibilität.

Die Entwicklungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI) eröffnen völlig neue Möglichkeiten in allen Bereichen - von Industrie, Mobilität über Energie und Medizin bis hin zur Kommunikation.

Siemens als Unternehmen ist seit den 1990er-Jahren unter den ersten, die KI für innovative Lösungen nutzbar gemacht haben und Kunden diverse Produkte und Projekte anbieten. Eines meiner Projekte aus diesem Bereich ist der „Digitale Zwilling für Gemeinden“. In diesem vor kurzem veröffentlichten Projekt geht es um digitale Lösungen im Verwaltungsbereich.

Auch das Thema Diversity ist natürlich allgegenwärtig: Siemens hat erkannt, dass Diversity entscheidend für den Geschäftserfolg ist, daher setzen wir bei Siemens auf vielfältige Teams und die Förderung von Frauen auf allen Ebenen.

 

OVE Fem Aktuell: Wie geht es Ihnen als Frau in einem technischen Beruf?

M. Bayat: Ich arbeite als eine der wenigen Damen fast ausschließlich mit Herren zusammen und empfinde die Zusammenarbeit als respektvoll, auf Augenhöhe und „challenging“. Den hierfür nötigen Background bringe ich aus dem Leben im Iran mit: Wurzeln aus Stahl.

 

OVE Fem Aktuell: Sie sind eine vielbeschäftigte Frau – wie können Sie entspannen, was bildet für Sie einen Ausgleich?

M. Bayat:… da ist meine Familie, die mich im Herzen stärkt, da sind Stakeholder rund um meinen Beruf, die meinen Intellekt fördern, da ist meine Herkunftsfamilie, die meine Wurzeln stärkt… Und: um mich jünger und fit zu fühlen, laufe ich gerne im Wald, fahre mit meiner Vespa und mache Skitouren. All das beschäftigt und entspannt mich gleichermaßen.

OVE Fem Aktuell: Vielen Dank für das Interview!