Hybride Bedrohungen – die andere Seite der "Sozialen Medien"

Durch die Digitalisierung und die globale Vernetzung in den letzten zwei Jahrzehnten wurde für Milliarden Menschen erstmals in der Menschheitsgeschichte die Möglichkeit geschaffen, mittels neuer Kommunikationsmedien einfach miteinander in Verbindung zu treten.

Darüber hinaus hat das Internet den beinahe unbegrenzten Zugang zum globalen Wissen für jede und jeden eröffnet. Die von Thomas L. Friedmann 2007 prophezeite „flache Welt“ ist mittlerweile Realität geworden.

Sämtliche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbereiche sind von diesem beispiellosen Umbruch mit nie zuvor gekannter globaler gesellschaftlicher Tiefenwirkung betroffen. Gleichzeitig sind wir alle aber auch von diesen neuen Technologieplattformen bereits in einem Ausmaß abhängig geworden, dass prosperierende wirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftlicher Wohlstand und die Funktionalität von staatlicher Administration und etablierter Demokratie ohne perfekt funktionierende digitale Infrastrukturen undenkbar geworden sind, was uns durch die Corona-Krise eindrucksvoll vor Augen geführt wird.

Andererseits haben wir mit den Sozialen Medien parallel dazu aber auch die in unserer Menschheitsgeschichte einmalige und größte Maschine gebaut, um emotionale und polarisierende Botschaften oder auch ganz einfach falsche Informationen sehr einfach und effektiv zu erzeugen und zu verteilen.

Dadurch können ganze Bevölkerungsschichten und Gesellschaften gezielt verunsichert oder sogar manipuliert werden. Wenn solche gezielt lancierten Desinformationen mit konkreten Cyber-Angriffen auf kritische Infrastrukturen oder Behörden kombiniert werden, spricht man von „hybriden Bedrohungen“. So können schlussendlich ganze Staaten bedroht und die Grundfeste unserer Demokratie erschüttert werden.

Damit bekommt einmal mehr Friedrich Dürrenmatt mit seiner 1961 verfassten Komödie „Die Physiker“ eine neue Aktualität: Hier wird die grundlegende Frage nach der Verantwortung der Menschen für eine technologische Entwicklung, welche die Gefahr der Bedrohung der Welt mit sich bringt, aufgeworfen. Technikbeherrschung ist ein unbedingtes Muss all unserer Bestrebungen.

Was in Europa und in Österreich zu diesem speziellen Problemfeld in Bezug auf Soziale Medien derzeit unternommen wird, wird anhand von drei Beiträgen erläutert: Dr. Helmut Schnitzer, Leiter der Abteilung IV/6, Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt und Leiter des Sekretariats des Nationalen Sicherheitsrats, und Oberst Dr. Josef Schöfl vom österreichischen Bundesheer, derzeit im „European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats“ in Helsinki/Finnland, stellen die aktuellen Initiativen in Europa und Österreich aus Sicht der Behörden vor. Dipl.-Ing. Martin Boyer vom AIT Austrian Institute of Technology, Center for Digital Safety and Security, berichtet über die aktuell laufende österreichische Leitinitiative „Defalisf-AI“ im Kontext des KIRAS Sicherheitsforschungsprogramms – eine umfassende Kooperation der nationalen Behörden mit Medienunternehmen, Wissenschaft und Forschung und Unternehmen.

Helmut Leopold

Head of Safety and Security Department, AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Präsident der OVE Gesellschaft für Informations- und Kommunikationstechnik, Arbeitsgruppenleiter „Social Media“