Interview mit Tanja Kienegger

Tanja Kienegger ist eine jener Technikerinnen, die ihren Weg in der Berufswelt sehr zielstrebig geht. Als Basis für ihre Karriere sieht sie selbst ihre fundierten Kenntnisse in der Informatik und ihr abgeschlossenes Studium „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“, auf welches berufsbegleitend das MBA-Studium „Energy Management“ folgte.

Tanja Kienegger startete ihre berufliche Laufbahn als Anlagentechnikerin bei Wien Energie. Seit Anfang dieses Jahres hält sie die Position der Geschäftsbereichsleiterin Energie bei ÖBB INFRA und ist überdies Prokuristin im Unternehmen.

Mit welchen Herausforderungen sie in ihrem bisherigen beruflichen Leben konfrontiert war und was Führung in Zeiten der Corona-Pandemie bedeutet, erzählt sie im OVE Fem-Interview.

Im Gespräch mit Tanja Kienegger

OVE Fem: Sie besuchten in Pinkafeld die HTL für Informatik und blieben mit der Wahl des Studiums „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinebau“ an der TU Wien in Ihrer weiteren Ausbildung zwar der Technik, nicht aber der Informatik treu. Was war ausschlaggebend für Ihre Studienwahl?

Tanja Kienegger: Technische Herausforderungen, basierend auf nachhaltig-ökonomischer Basis, sind meine Leidenschaft. Die Frage war für mich daher: Welche Grundlagen erlauben später eine fundierte, innovations- und lösungsfokussierte Weiterentwicklung dieser drei Themen?

Die fundierten Kenntnisse in der Informatik, Maschinenbau und Wirtschaft haben mir geholfen, vor allem in der Digitalisierung und in der Entwicklung von Geschäftsmodellen, neue Akzente zu setzen.  

 

OVE Fem: Während Ihres Studiums verbrachten Sie im Rahmen eines ERASMUS-Stipendiums ein Semester im Ausland, genauer: in Schottland. Was konnten Sie aus diesem Semester mitnehmen – sowohl in fachlicher als auch in sozio-kultureller Hinsicht?

Kienegger: Kurz gesagt: Alles. Denn Schottland – mein Semester an der Strathclyde University – weckte meine Leidenschaft für die Energiebranche. Mich beeindruckte die Bedeutung einer unabhängigen, sicheren Energieversorgung für Schottland und Großbritannien und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft.

Darüber hinaus war es für mich wichtig, eigenständiger zu werden und unterschiedliche Kulturen kennen zu lernen. Das Leben und Studium gemeinsam in einer Wohngemeinschaft mit Chinesinnen, Französinnen, Italienerinnen hat mir gezeigt, dass die Kommunikation generell entscheidend ist für ein gutes Zusammenleben und produktives Arbeiten.

 

OVE Fem: Ihren ersten „akademischen“ Job als Anlagentechnikerin bei Wien Energie konnten Sie bereits nach nur einem Monat nach Beendigung Ihres Studiums antreten. Worauf führen Sie diese vergleichsweise kurze Phase der Arbeitssuche zurück?

Kienegger: Mein Ziel war es, nach meinem Studium rasch reale Erfahrungen in der Energiewirtschaft zu sammeln. Wien Energie lud mich im Rahmen der Karrieremesse zum Gespräch und ich bekam kurz darauf die Zusage.

 

OVE Fem: Beeindruckend – was führte Ihrer Meinung nach zum Erfolg?

Kienegger: Was zum Erfolg führte? Eine durchdachte Vorbereitung und das konsequente Verfolgen von freudvollen Zielen machen meine Persönlichkeit aus. Kraft lässt sich in jeder Aufgabe finden.  

 

OVE Fem: Ihr erster Karrieresprung – von der Anlagentechnikerin zur Fachbereichsleiterin Anlagenentwicklung – fiel in die Zeit Ihres berufsbegleitenden MBA-Studiums „Energy Management“ an der WU Executive Academy. Wie gelingt es in einer solchen Lebensphase, alles unter einen Hut zu bringen?

Kienegger: Diese Lebensphase war für mich sehr prägend. Erste Erfahrungen sammelte ich als Führungskraft in der Vernetzung mit der internationalen Energiebranche. Mein hoher Arbeitseinsatz oft bis in die Nacht hinein und am Wochenende zeigten mir meine zukünftige Verantwortung als Führungskraft auf.

Die positive Energie, die ich in dieser Phase aus dem Studium und dem neuen Team gewonnen habe, hat mir immer wieder die Kraft gegeben weiterzumachen und das Ziel zu erreichen.

 

OVE Fem: … und Sie haben mittlerweile schon viele Ziele erreicht! Es folgte der berufliche Aufstieg zur Abteilungsleiterin Asset Management und Optimierung – als solche verantworteten Sie den Aufbau einer neuen Abteilung inklusive neuer Tätigkeitsfelder und eines entsprechenden Teams. Mit welchen Herausforderungen waren Sie hier konkret konfrontiert?

Kienegger: Widerstände in der Organisation, teilweise auch im Management, Fragezeichen, wie man zukünftig gemeinsam am Energie- und Abfallmarkt auftritt, seine Assets bewirtschaftet, gemeinsam arbeitet und sicher auch die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Unternehmen: Die Wien Energie befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Wandel, zwei Unternehmen –die „Wien Energie alt“ und „Fernwärme Wien“ –wurden zusammengeführt.

Im Aufbau meiner Abteilung war ich neben dem Unternehmenswandel der Wien Energie zusätzlich noch damit konfrontiert, dass ich die Prozesse, Kompetenzen und das Team neu aufbauen musste.

 

OVE Fem: Von der Abteilungsleiterin wurden Sie nur eineinhalb Jahre später zur Geschäftsbereichsleiterin Asset Service bei Wien Energie befördert – ein Mehr an Verantwortung… Worauf sind Sie in diesem Zusammenhang besonders stolz?

Kienegger: Stolz macht mich, dass ich eine nachweislich gute Balance zwischen dem Bestehenden und Neuen sicherstellte. Dies erst erlaubte die Etablierung einer modernen und agilen Organisation, mit hohen Qualitätsstandards und wirtschaftlicher Eigenständigkeit.

Der Erfolg? Weg vom Image des klassischen Instandhalters, der Kosten verursacht, hin zu einem modernen Dienstleister, der Mehrwert generiert.

 

OVE Fem: Seit Anfang dieses Jahres sind Sie nun bei der ÖBB Infrastruktur AG als Geschäftsbereichsleiterin Energie sowie als Prokuristin tätig. Inwieweit waren berufliche Netzwerke unterstützend für Sie?

Kienegger: Ein größeres, branchenübergreifendes Bild und Reflektionen lassen mich die Rahmenbedingungen der neuen Position besser einschätzen und gerade in herausfordernden Zeiten die Chancen und Möglichkeiten für meinen Verantwortungsbereich, aber auch meine eigenen Herausforderungen, klar erkennen und annehmen.

 

OVE Fem: Mit welchen Inhalten sind Sie in Ihrer gegenwärtigen Position als Geschäftsbereichsleiterin Energie befasst und welche Fachrichtungen decken Sie ab?

Kienegger: ÖBB INFRA Energie versorgt mit derzeit 380 Mitarbeitern das österreichische Bahnsystem sowie die zugehörigen Betriebsanlagen (Stationen, Bahnhöfe etc.) mit grüner Energie. Dazu erzeugen wir selbst Strom mit zehn Wasserkraftwerken, Photovoltaikanlagen und zukünftig auch Windkraftanlagen und kaufen von Partnern zu. Außerdem sichern wir den Betrieb der Anlagen und prüfen und entwickeln Innovationen, die wir in das bestehende System bringen.

Drei Themen leiten uns für die nächsten Jahre: der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung, ein Programm zu Klimaschutz und Energieeffizienz sowie die Weiterentwicklung des Marktmodells.

 

OVE Fem: Passend zur momentanen Situation: Wie sieht Führung in Zeiten von Corona für Sie aus? Was hat sich geändert – zum Positiven, zum Negativen? Gibt es aus Ihrer Sicht schon jetzt „Lessons Learned“?

Kienegger: Positiv ist sicherlich hervorzuheben, dass der Arbeitsalltag dank entsprechender IT-Infrastruktur auch aus dem Home Office reibungslos abläuft.

Führung in Zeiten von Corona stellt jedoch zusätzliche, agile und kommunikationsstarke Ansprüche an uns Führungskräfte. Mit dem Verschwimmen von analogen und digitalen Welten darf die zwischenmenschliche Komponente nicht auf der Strecke bleiben.

Mitarbeiter:innen haben unterschiedliche Fähigkeiten und Bedenken, mit der Situation umzugehen, sie zu verstehen und zu akzeptieren. Darauf gilt es einzugehen und agile, flexible, dialogische Lösungen zu finden, diese immer wieder zu reflektieren und den Situationen und Zielen anzupassen.

 

OVE Fem: Und wie gehen Sie mit diesen unterschiedlichen Zugängen Ihrer Mitarbeiter:innen konkret um?

Kienegger: Eine Skype-Tour mit allen Abteilungen im Frühjahr gab den Mitarbeiter/innen die Gelegenheit, Fragen zu stellen, Anliegen und Sorgen zu artikulieren und sich mit mir auszutauschen. Dies werde ich jetzt im Dezember wiederholen. Dialog ist für mich als Führungskraft ein wesentlicher Hebel, die Situation zu meistern und uns für die Zukunft kraftvoll aufzustellen.

 

OVE Fem: Was ist Ihnen in diesem Zusammenhang besonders wichtig?

Kienegger: Wichtig ist mir, regelmäßig Erfolge abzufragen, Ziele und Vertrauen in die Fähigkeiten und Stärken meines Teams weiterzugeben. Darin beziehe ich auch jene Mitarbeiter:innen ein, die ihre Tätigkeit nicht aus dem Home Office ausüben können und die Aufrechterhaltung der betriebskritischen Infrastruktur verantworten.

Für diese Mitarbeitergruppen wurden entsprechende Maßnahmenkonzepte in Bezug auf Corona getroffen, von Testungen, telefonischen Schichtübergaben bis zu Fiebermessgelegenheiten u. a. an den Standorten.

 

OVE Fem: Was macht eine vielbeschäftigte technische Führungskraft in ihrer Freizeit? Wie tanken Sie Energie für den fordernden beruflichen Alltag?

Kienegger: Familie, sozialer Austausch und körperliche Fitness helfen, in meiner Balance zu bleiben. Energie tanke ich vor allem bei meiner Familie und meinem Freundeskreis.

OVE Fem:  Vielen Dank für das Interview!