Positionen des OVE
Hier finden Sie Informationen zu den Positionen und Stellungnahmen des OVE im Zusammenhang mit dem Thema Energiewende:

OVE-Positionspapier: Praxisnahe Anpassung der Eichvorschriften für Ladetarifgeräte in Österreich
Kurzfassung
Für den Erfolg und weiteren Ausbau von Elektromobilität sind kundenorientierte Ladeeinrichtungen eine wesentliche Voraussetzung. Ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz und Serviceorientierung ist die Abrechnung der tatsächlich geladenen elektrischen Energie anstatt der Ladedauer.
Dafür braucht es eichrechtskonforme Ladetarifgeräte, denn elektrische Energie ist in Österreich gemäß Maß- und Eichgesetz MEG eine eichpflichtige Größe. Zum Schutz der Endkund:innen und zur Sicherstellung fairer Marktbedingungen ist seit über zwei Jahren eine entsprechende Verordnung (Eichvorschriften für Ladetarifgeräte) in Kraft. Ihre praktische Umsetzung bedeutet allerdings einen hohen Aufwand für Betreiber, Hersteller und Eichstellen.
Erfüllen Ladestationen die Verordnung nach der vorgesehenen Übergangsfrist (Ende 2025) nicht, müssen diese entweder stillgelegt werden oder dürfen den Ladevorgang nur nach Zeit abrechnen. Es ist davon auszugehen, dass Ladestellenbetreiber sich für die zweite Option entscheiden werden. Für die Kund:innen bedeutet das eine Benachteiligung – selbst im Vergleich zu ungenau gemessener Energie bei nicht geeichten Ladetarifgeräten.
Dieses Positionspapier zeigt die konkreten Problemstellungen auf und beinhaltet Vorschläge für eine pragmatische Anpassung der Verordnung. Ziel ist es, zügig sowie kosten- und ressourceneffizient eichrechtskonforme Ladeinfrastruktur bereitzustellen und auf diese Weise den Erfolg von Elektromobilität zu fördern.
Die Inhalte wurden von Ladestationsbetreibern, Herstellern von Ladestationen sowie Eichstellen eingebracht und vom OVE als Branchenvertretung konsolidiert.
Im Folgenden werden die konkreten Problemstellungen und Empfehlungen zu deren Lösung angeführt.
1. Fristenläufe und Reparaturen
1.1 Erst-, Neu- bzw. Nacheichungen von ausnahmsweise zugelassenen Geräten
Ab dem 1. Jänner 2026 dürfen nur mehr Ladetarifgeräte erst-, neu- oder nachgeeicht werden, die den Anforderungen der Verordnung entsprechen. Die Ersteichungen für ausnahmsweise zugelassene Geräte vor Jahresende 2025 stellt sich aufgrund der Kapazitäten der Eichstellen in Österreich und der aktuell erhobenen Anzahl der zu eichenden Geräte (das sind ca. 6.000 Geräte, also 20 % aller öffentlichen Ladepunkte in Österreich) als unpraktikabel dar. Auch die Vorgangsweise im Fall einer Reparatur, die eine Neueichung erfordert, ist wenig pragmatisch: Aus wirtschaftlichen Gründen ist ein zwingender Geräteersatz einer Ladeeinrichtung, die ausnahmsweise zugelassen ist, aber nach dem 1. Jänner 2026 aufgrund einer Reparatur neugeeicht werden muss, nicht im Sinne des Ausbaus der Ladeinfrastruktur in Österreich. Auch würde das dazu führen, dass staatlich geförderte Geräte nun verschrottet werden müssten.
Empfehlung zu 1.1:
⦁ Ausnahmsweise zugelassene Geräte können bis zum Stichtag 1. Jänner 2027 erstgeeicht werden.
⦁ Im Reparaturfall ist eine Neueichung mit gleicher Frist wie bei nicht ausnahmsweise zugelassenen Geräten (vier Monate) möglich.
1.2 Aufgebrochene Siegel und Anbringung von Sicherungszeichen
Im Zuge von Reparaturen an den geeichten Ladestationen kann es notwendig werden, Siegel aufzubrechen. Ladestationen mit entwertetem Siegel dürfen im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht mehr verwendet werden; d.h. es darf vom Betreiber keine Abrechnung nach kWh erfolgen.
Um die Verwendung von Ladestationen nach Reparaturen bis zur Eichung zu ermöglichen, kann das BEV gemäß MEG § 45 (2) durch Bescheid geeignete physische Personen ermächtigen, nach erfolgter Überprüfung der Messgeräte auf Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen diese mit einem Sicherungszeichen zu verschließen. Dadurch können die Ladestationen bis maximal vier Monate weiter betrieben werden (Abrechnung nach kWh), bevor eine Neueichung durch eine ermächtigte Eichstelle erfolgen muss.
Die Überprüfung auf Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen bedingt den Einsatz von großem und kostspieligem Messequipment, das aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen keineswegs zur Standardausrüstung von Servicepersonal für Elektrofahrzeug-Ladestationen zählen kann. In der Praxis würden dadurch mehrere Anfahrten notwendig werden, um eine Ladestation nach einer störungsbedingten Reparatur wieder in den geeichten Zustand zu versetzen. Dadurch wäre die Wirtschaftlichkeit für den Betreiber nicht mehr gegeben.
Empfehlung zu 1.2:
⦁ Verzicht auf die Überprüfung auf Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen nach der Anbringung des Sicherungszeichens bis zur Neueichung durch eine vom BEV ermächtigte Person, wenn Ersatzteile 1:1 ausgetauscht werden.
⦁ Die spätere Neueichung durch eine ermächtigte Eichstelle ersetzt die aktuell vorab geforderte Überprüfung auf Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen. Dadurch kann zumindest eine zusätzliche Anfahrt vermieden werden.
1.3 Eingeschränkte Befugnis der Hersteller zur Neueichung
Auf Antrag erteilt das BEV im sogenannten Anerkennungsverfahren Herstellern die Zulassung zur Ersteichung ihrer Ladestationen im Zuge der Inverkehrbringung. Nach einer Reparatur dürfen Hersteller an ihren eigenen Ladestationen jedoch keine Neueichung nach derselben Prozedur vornehmen, sofern sie keine in Österreich ermächtigte Eichstelle sind.
Hersteller müssen die Betreiber von Ladestationen nach erfolgter Reparatur an eine ermächtigte Eichstelle verweisen, da sie in der Regel selbst keine Neueichung vornehmen dürfen. Auch die Anbringung von Sicherungszeichen schafft hier keine gute Abhilfe (siehe Punkt 1.2).
Empfehlung zu 1.3:
Gleichstellung der Zulassung zur Ersteichung mit der Zulassung zur Neueichung für die genau definierten Bauarten. Hersteller von Ladestationen haben keine Motivation, eine ermächtigte Eichstelle für alle am Markt befindlichen Ladestationen zu werden. Es gibt allerdings ein starkes Interesse, die rechtliche Voraussetzung zu erhalten, um die eigenen Ladestationen kosteneffizient und rasch für die Kund:innen wieder instand zu setzen.
2. Vorgaben für die statistische Kontrolle im Rahmen der Ersteichung
2.1 Problematische Mindeststückzahlen für die Stichprobenprüfung
In der Verordnung ist die Möglichkeit der Ersteichung mittels Stichprobe für ein Los baugleicher Geräte vorgesehen. Dies wird prinzipiell positiv gesehen. Allerdings ist die Ausgestaltung stark an Elektrizitätszähler von Stromnetzbetreibern orientiert, die mit wesentlich größeren Mengen von baugleichen Geräten operieren. Der kleinste Stichprobenumfang liegt bei 50 Einheiten (bei Einfach-Stichprobenprüfung und einem Losumfang von 1200), was in der Regel – insbesondere bei DC-Ladestationen – zu einer 100-%-Prüfung führt.
Empfehlung zu 2.1:
Eine Ersteichung mittels Stichprobenprüfung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge sollte dahingehend geändert werden, dass eine Mengenkategorie kleiner als die in der aktuellen Verordnung genannte Mindestgröße der Stichprobe von 50 Geräten vorgesehen wird. Dies würde vor allem bei DC-Ladestationen eine wesentlich praktikablere Vorgehensweise darstellen.
Konkret werden folgende Änderungen empfohlen:
Einfach-Stichprobenprüfung (Tabelle 3):
Nr Losumfang Stichproben-umfang Annahme Los Zurück-weisung Los Ersatzgeräte
0 bis 200 32 0 1 6
Doppel-Stichprobenprüfung (Tabelle 4):
Nr Losumfang Stich-probe Stichproben-umfang Kumulativer Stichproben-umfang Annahme Los Zurück-weisung Los 2. Stich-probe Ersatz-geräte
0 bis 200 erste 20 20 0 2 1 4
zweite 20 40 1 2 4
2.2 Verpflichtende Stempelung aller erstgeeichten Geräte eines Loses
Die aktuelle Verordnung schreibt nach positivem Ergebnis der Ersteichung eines Geräteloses mittels Stichprobe die Stempelung aller Geräte des Loses vor. Das führt dazu, dass im ersten Schritt die für die Stichprobe ausgewählten Ladeeinrichtungen einzeln angefahren und geeicht werden. Im zweiten Schritt ist es erforderlich, dass alle Ladeeinrichtungen des Loses (Geräte aus der Stichprobe und alle anderen aus dem Los) einzeln (teilweise noch einmal) angefahren und mit einem neuen Aufkleber versehen werden müssen.
Mit dieser Anforderung wird die Methode der Stichprobe sehr aufwändig und damit weitgehend unbrauchbar. Es entstehen hohe Kosten, die an die Endkund:innen weitergegeben werden müssen, bringt aber keinen zusätzlichen Nutzen. Die Information der Eichkonformität wird ohnehin an das zentrale Ladestellenverzeichnis der E-Control gemeldet und ist dort jederzeit von Kund:innen einsehbar.
Ein Vergleich mit dem Prozess bei Elektrizitätszählern im Stromnetz drängt sich auf, bei denen keine Stempelung aller per Stichprobenprüfung geeichten Geräte in der Eichverordnung vorgeschrieben ist.
Zusammengefasst: hohe Kosten, bei keinem Nutzen und jahrelang erfolgreiche Praxis bei Elektrizitätszählern als Vorbild.
Empfehlung zu 2.2:
⦁ Verzicht auf die verpflichtende Nachstempelung aller Geräte im geprüften Los.
⦁ Anerkennung des digitalen Eintrags im Ladestellenverzeichnis der E-Control als ausreichender Nachweis der Eichrechtskonformität bei erfolgreich durchgeführter Stichprobenprüfung.
3. Hoher herstellerseitiger Aufwand spezifisch für Österreich – Fehlende gegenseitige Anerkennung der Eichrechtskonformität
AC- und DC-Ladestationen werden derzeit in Deutschland und in Österreich separaten Verfahren unterzogen, um die Anerkennung der Mess- und Eichrechtskonformität zu erhalten. Unterlagen wie die Baumusterprüfbescheinigung, Betriebs- und Installationsanleitung, Messgeräteliste, Berechnung der Kabelverluste, etc. werden dabei an die zuständigen Behörden übermittelt, um anschließend in Deutschland und Österreich nahezu das gleiche Anerkennungsverfahren zu durchlaufen.
Diese komplexen und langwierigen Verfahren kosten somit internationalen Herstellern von Elektrofahrzeug-Ladestationen in verschiedenen Ländern Ressourcen und Zeit. Nicht zu vergessen sind auch noch die Kosten, welche bei jedem neuen Antrag entstehen.
Auf EWR-Ebene wird derzeit ein Vorschlag zur Überarbeitung der Messgeräterichtlinie (MID) mit Ergänzung um Ladetarifgeräte diskutiert, mit dem Ziel, den europäischen Binnenmarkt einfacher zu gestalten. Ladetarifgeräte für Elektrofahrzeuge werden in diesem Vorschlag als eigene Messgeräteklasse definiert.
Der Vorschlag schafft die Voraussetzungen für eine EU-weit einheitliche Anerkennung von Ladeeinrichtungen mit Messfunktion, wodurch langfristig separate nationale Zulassungsverfahren (z. B. nach deutschem oder österreichischem Eichrecht) nicht mehr notwendig sind.
Der Vorschlag ist unter CELEX 52025PC0561 einzusehen.
Empfehlung zu 3:
⦁ Rasche Umsetzung der MID-Überarbeitung samt Aufnahme von Ladetarifgeräten, um europaweit einheitliche Zulassungsvorgaben zu gewährleisten.
⦁ Übereinstimmende nationale Umsetzung in Österreich, um die Notwendigkeit eines länderspezifischen Zulassungsverfahrens zu vermeiden.
4. Fazit
Die Eichvorschriften für Ladetarifgeräte erfüllen eine zentrale Rolle für den Schutz der Verbraucher:innen und einen fairen Wettbewerb. Die derzeitige Umsetzung führt jedoch zu erheblichen Hürden und läuft Gefahr, die Wirtschaftlichkeit von Betrieb, Instandhaltung und Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu beeinträchtigen.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen hinsichtlich Fristenläufe und Reparaturen, statistischer Kontrolle bei Ersteichung sowie europaweit einheitlicher Zulassungsvorgaben ermöglichen eine rechtskonforme, aber deutlich praxisnähere Umsetzung der Vorgaben im Sinne aller Beteiligten und der Verbreitung der Elektromobilität in Österreich insgesamt.
Endkund:innen profitieren doppelt:
⦁ Die Bezahlung von elektrischer Energie nach kWh ist weiterhin möglich, was in der Regel preiswerter ist als die Bezahlung von Ladedauer nach Minuten.
⦁ Effizientere Abläufe bei Herstellern und Betreibern reduzieren Kosten und die Notwendigkeit, diese an Endkund:innen weiter zu geben.
Ansprechpartner:
Roman Eichinger
Leitung Academy, Mitgliederservice
Technologie- & Innovationsmanagement
OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Eschenbachgasse 9 | 1010 Wien
T +43 664 962 38 15
r.eichinger@ove.at
Über den OVE:
Der OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik gestaltet als unabhängige Branchenplattform die Zukunft der Elektrotechnik und Informationstechnik aktiv mit. Der OVE vernetzt Industrie und Gewerbe, Energiewirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Anwender:innen und fördert mit zahlreichen Weiterbildungsangeboten und Nachwuchsinitiativen den Erfolg der Branche. Als elektrotechnische Normungsorganisation sowie mit seinen weiteren Kernbereichen Zertifizierung und Blitzforschung vertritt der Verband die österreichischen Interessen offiziell in internationalen Gremien. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Website www.ove.at.

Energiewende in Österreich:
Versorgungssicherheit für einen starken Wirtschaftsstandort
Positionspapier
11/2024
Welche Ziele hat sich Österreich gesteckt?
Bis 2030 soll der gesamte Stromverbrauch Österreichs bilanziell aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden. Bereits zehn Jahre danach, im Jahr 2040, soll Österreich klimaneutral sein.
Damit das gelingen kann, muss das Ausbauziel bis 2030 für die erneuerbare Stromerzeugung deutlich über den 27 Terawattstunden (TWh) liegen, die bisher im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) verankert sind.
Im Integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) wird das erforderliche Ausbauziel mit 39 TWh angegeben. Das bedeutet ein Plus von 19 TWh bei Photovoltaik und von 14 TWh bei Windenergie zwischen 2020 und 2030. Dazu kommen 5 TWh mehr aus Wasserkraft und eine TWh mehr aus Biomasse. Die installierte Kraftwerksleistung in Österreich soll sich bis 2030 auf rund 43 bis 55 GW erhöhen, 2024 liegt diese bei rund 29 GW.
Welche Herausforderungen sind zu lösen?
Die Technologien für das Gelingen der Energiewende sind größtenteils vorhanden. Dennoch sind die ambitionierten Ziele aus heutiger Sicht nicht erreichbar. Es fehlen die geeigneten Rahmenbedingungen für einen zügigen Netz-, Speicher- und Erneuerbaren-Ausbau, eine umfassende Digitalisierung und vielfach auch die notwendigen Fachkräfte.
Auf den folgenden Seiten werden jene Maßnahmen dargestellt, die aus Sicht des OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik dringend umgesetzt werden müssen, um der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen, unsere Versorgungssicherheit weiterhin zu gewährleisten und einen starken Wirtschaftsstandort zu sichern.
1. Gesamtsystemplanung für koordinierten Aus- und Umbau des Energiesystems
Mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Erzeugungsanlagen steigen die Anforderungen an die Netzinfrastruktur sowie der Bedarf an Speichermöglichkeiten erheblich.
Bei hohen Anteilen von Strom aus volatilen Energiequellen (Photovoltaik, Windkraft) ist die Elektrizitätsaufbringung hohen Schwankungen unterworfen. Erzeugungsspitzen im Sommer sowie Verbrauchsspitzen bei gleichzeitig niedriger Erzeugung im Winter machen wesentlich mehr Flexibilität und Speichermöglichkeiten notwendig, um diese auszugleichen. Fällt eine Energiequelle weg – etwa durch Windstille oder bei Dunkelheit – so hat dies große Auswirkungen auf das Gesamtsystem.
Eine erfolgreiche Energiewende setzt daher voraus, die einzelnen Systeme in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel zu betrachten. Eine integrierte Ausbauplanung muss die Produktions- und Verbrauchsziele mit einer entsprechenden Speicher- und Netzausbaustrategie verbinden, d.h. Erneuerbare Anlagen und das Stromnetz müssen unter Berücksichtigung der notwendigen Flexibilitäten koordiniert ausgebaut werden.
Als Richtschnur dafür gilt der österreichische integrierte Netzinfrastrukturplan ÖNIP. Dieser ist als Grundlagenpapier laufend weiterzuentwickeln.
2. Geeignete rechtliche Rahmenbedingungen für notwendige Infrastrukturprojekte
Um die Klimaziele zu erreichen, ist ein zukunftsfittes Regulierungsumfeld notwendig. Der Ausbau und die Digitalisierung der Energieinfrastruktur müssen oberste Priorität haben. Es gilt, Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv zu beschleunigen. Dafür braucht es ausreichend Ressourcen in den Behörden.
Die EU-Richtlinie für erneuerbare Energie (RED III) sieht Beschleunigungsgebiete für Erneuerbare Energie sowie schnellere und einfachere Verfahren beim Netzausbau vor, außerdem die Festlegung, dass Erneuerbare im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Der OVE fordert eine rasche nationale Umsetzung der RED III durch entsprechende Gesetze und Verordnungen:
⦁ Ein rascher Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) ist für die Planung, den Ausbau und die Integration von Erneuerbarer Energie in das Stromnetz unverzichtbar.
⦁ Dasselbe gilt für das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG): Die darin vorgesehenen Vorgaben für die Energieraumplanung sowie One-Stop-Shops für Erneuerbare Energie Projekte, die keiner Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, können Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen.
⦁ Zusätzlich ist es notwendig, das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) an die tatsächlichen Anforderungen (vgl. ÖNIP) anzupassen.
⦁ Gesetzlich verankert werden sollte außerdem ein Vorrang für europäische Bauteile, Produkte und Dienstleistungen. Neben den positiven wirtschaftlichen Effekten geht es hier vor allem um eine europäische Technologiesouveränität und die Stärkung europäischer Standards.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind Schlüsseltechnologien für unser zukünftiges Energiesystem. Für eine entsprechende Umsetzung ist es notwendig, die Mittel dafür als Investitionskosten (CAPEX) anzuerkennen. Ein besonderes Augenmerk gilt n diesem Zusammenhang auch der Cyber-Sicherheit.
3. Gesamtgesellschaftlicher Schulterschluss
Eine mehrheitsfähige politische Willensbildung ist die Grundvoraussetzung für die Umsetzung der notwendigen Maßnahmen, die ein Gelingen der Energiewende ermöglichen.
Die Akzeptanz für Infrastrukturprojekte, aber auch den erforderlichen Datenaustausch ist nur durch einen intensiven Dialog, bewusstseinsbildende Maßnahmen sowie partizipative Verfahren erreichbar. Es gilt, die Menschen aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Über Energiegemeinschaften oder eine PV-Anlage für den Eigenbedarf werden sie zu aktiven Teilnehmenden am Energiemarkt.
Gleichzeitig braucht es ein Bewusstsein auf Seiten der Verbraucher:innen, um – gemeinsam mit innovativen Technologien – eine höhere Energieeffizienz zu erreichen. Partizipative Lösungen wie etwa Demand-Side-Management können hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Strom ist ein wertvolles Gut. Es gilt, die Bevölkerung mit transparenten und nutzerfreundlichen Lösungen für ein nachhaltiges Energiesystem zu begeistern. Variable Stromtarife können hier attraktive Anreize schaffen, indem sie netzdienliches Verhalten belohnen.
4. Elektromobilität als zentraler Baustein am Weg zur klimaneutralen Gesellschaft
Elektromobilität ist ein wesentlicher Teil der Energiewende und wichtiger Hebel bei der CO2-Reduktion. Zwar bedingt sie einen weiteren Anstieg des Strombedarfs, gleichzeitig kann sie aber auch zur Erhöhung der Flexibilitäten im Stromnetz beitragen.
Um der Elektromobilität langfristig zum Erfolg zu verhelfen, gilt es, gesetzliche Hürden zu beseitigen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa durch einen flächendeckenden Ausbau der notwendigen Ladeinfrastruktur. Die Möglichkeiten für Laden mit hohen Leistungen an öffentlichen Orten müssen erweitert werden, außerdem braucht es einfachere Genehmigungsverfahren für Schnellladestationen in Mehrparteienhäusern.
Kundenfreundliche Bezahlsysteme an öffentlichen- und halböffentlichen Ladestellen tragen ebenso zum Erfolg von Elektromobilität bei. Eine Umstellung der Abrechnungsmodalitäten von Ladedauer auf tatsächlich geladene Energie ist daher möglichst rasch umzusetzen.
Als mobile Speicher können Elektrofahrzeuge Flexibilitätsdienstleistungen im Energiesystem der Zukunft anbieten. Der OVE unterstützt daher eine rasche Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden. Technisch ist dieses bereits möglich, regulatorisch sind jedoch noch offene Punkte zu klären. Damit Fahrzeughalter nicht nur von zu Hause aus, sondern auch an anderen Orten Energie ins Netz einspeisen können, ist zudem eine umfangeiche Digitalisierung der Netze erforderlich.
5. Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Energiebranche
Der Fachkräftemangel ist eine große Herausforderung für die gesamte Energiebranche und gefährdet die Umsetzung der Energiewende. Besonders dringend benötigt werden Elektrotechniker:innen mit Schwerpunkt Energietechnik. Enorm gefragt sind außerdem Mitarbeiter:innen im Bereich IT-Systems & Security, denn die Energiewende macht intelligente Netze mit digitalen Schnittstellen notwendig.
Unternehmensinterne Weiterbildungen und die Qualifizierung von Mitarbeiter:innen für neue Aufgabenbereiche sind durch entsprechende Maßnahmen im Bildungssystem zu ergänzen. Neue Angebote zum Thema „Erneuerbare Energien“ dürfen die notwendigen grundlegenden Kompetenzen (Elektrotechnik!) allerdings nicht verdrängen, vielmehr sollen sie diese ergänzen.
Es gilt, die Angebote im Bereich Energietechnik zu stärken und vor allem das große Potenzial bei weiblichen Fachkräften zu nutzen. Um mehr Personen für eine fundierte Ausbildung in diesem Bereich zu gewinnen, braucht es eine breite Mobilisierung sowie intensive Kommunikationsmaßnahmen.
Warum ist rasches Handeln notwendig?
Ein Stromnetz, das nicht leistungsfähig genug ist, ist teuer. Das Übertragungsnetz stößt zunehmend an seine Belastungsgrenzen und muss schon heute immer öfter im Grenzleistungsbereich betrieben werden.
Netzengpässe müssen durch koordinierte Notmaßnahmen (sogenanntes Engpassmanagement) behoben werden. Der Bedarf an solchen Notmaßnahmen hat sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Allein 2023 betrugen die Redispatch-Maßnahmen, die das Stromnetz in Österreich vor Überlastung schützen, rund 140 Millionen Euro. Bezahlt werden diese steigenden Kosten von den Stromkund:innen – also von uns allen.
Vermeidbar sind diese Kosten nur durch einen entsprechenden Netzausbau. Somit ist dieser die effektivste und volkswirtschaftlich günstigste Möglichkeit, ausreichend Flexibilitäten im Gesamtsystem zu schaffen.
Die Verzögerung des Netzausbaus ist aber nicht nur enorm teuer, sie ist auch eine Gefahr für die Versorgungssicherheit. Sie verunmöglicht das Gelingen der Energiewende, indem sie den Netzanschluss von Erneuerbaren Erzeugungsanlagen behindert und die Dekarbonisierung der Industrie erschwert.
Nur ein starkes und intelligentes Stromnetz kann die Integration von volatilen Erneuerbaren Energien gewährleisten und gleichzeitig die Versorgungssicherheit sicherstellen.
Kontakt:
OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Mag. Cornelia Schaupp
Eschenbachgasse 9 | 1010 Wien
T +43 1 587 6373-534
M +43 664 968 04 76
c.schaupp@ove.at
www.ove.at
Über den OVE:
Der OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik ist eine moderne und unabhängige Branchenplattform und gestaltet die Entwicklung der Elektrotechnik und Informationstechnik in Zeiten des digitalen Wandels aktiv mit. Der OVE vernetzt Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Energieunternehmen sowie Anwender:innen und fördert mit zahlreichen Weiterbildungsangeboten den Erfolg der Branche. Als elektrotechnische Normungsorganisation und mit seinen weiteren Kerngebieten Zertifizierung und Blitzforschung vertritt der Verband die österreichischen Interessen offiziell in internationalen Gremien. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Website www.ove.at.

24. März 2023
Position zum Thema Elektromobilität
Elektromobilität gilt als zentraler Baustein auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Sie wird als wesentlicher Teil der Energiewende und wichtiger Hebel bei der CO2-Reduktion gesehen. Zwar bedingt die Elektromobilität einen weiteren Anstieg des Strombedarfs, gleichzeitig kann sie aber auch zur Erhöhung der Flexibilitäten im Stromnetz beitragen.
Um der Elektromobilität langfristig zum Erfolg zu verhelfen, bedarf es noch umfangreicher Anstrengungen. Gefragt sind intelligente technologische Lösungen aus dem Bereich der Elektrotechnik und Informationstechnik. Es gilt, gesetzliche Hürden zu beseitigen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa durch einen flächendeckenden Ausbau der notwendigen Ladeinfrastruktur.
Der OVE ermöglicht als Branchenplattform den Austausch darüber und bringt sich aktiv in die Diskussion ein.
1. Ausbau der Ladeinfrastruktur
Der OVE setzt sich für den zweckmäßigen Ausbau von Ladeinfrastruktur ein. Prinzipiell soll die Möglichkeit zum Laden mit hohen Leistungen geschaffen werden.
Dies gilt insbesondere an öffentlichen und halböffentlichen Orten mit zu erwartender hoher Fahrzeugfrequenz und kurzer Aufenthaltsdauer. In Mehrparteienhäusern und Garagen wird Smartes Laden mit Lastmanagement unterstützt, um möglichst hohe Flexibilität zu gewährleisten. Bei Kostentragung und Übernahme der technischen Verantwortung durch die ansuchende Partei sollen auch Schnellladestationen unbürokratisch in Gemeinschaftsgaragen installiert werden können. Eine verpflichtende Zustimmung aller Eigentümer befürwortet der OVE nicht. Aktuell ist die Installation von Schnellladestationen in Mehrparteienhäusern von der Zustimmung aller Eigentümer abhängig und damit defacto unmöglich. An halböffentlichen Orten – etwa Supermarkt-Parkplätzen – ist oft nur Langsamladen vorgesehen.
2. Bezahlsysteme an öffentlichen- und halböffentlichen Ladestellen
Der OVE spricht sich für die eine kundenfreundliche Lösung (= 1 System für möglichst viele Anbieter) aus, unterstützt aber auch die geplante Ausnahmeregelung der AFIR.
Die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR), die aktuell auf EU-Ebene verhandelt wird, sieht verpflichtende Kartenzahlung bei öffentlichen Ladepunkten vor. Um teure Nachrüstungen zu verhindern, ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen: Schnelllader (Ladeleistungen > 50 kW) sollen mit Kreditkartenterminals ausgestattet werden, während Normallader weiterhin vertragsbasiert abgerechnet werden.
3. Abrechnung an öffentlichen- und halböffentlichen Ladestellen
Der OVE unterstützt die Forderung nach Abrechnung der tatsächlich geladenen Energie und spricht sich für einen raschen Umstieg aus.
Bisher wurde Energie an öffentlichen Ladesäulen über die Ladedauer abgerechnet. Dies zum Nachteil der Kunden – denn es wird die maximal mögliche Leistung zu Grunde gelegt, die in vielen Fällen nicht ausgeschöpft werden kann. Bei der Erfüllung eichrechtlicher Vorgaben bei Bestandsladepunkten spricht sich der OVE für Flexibilität in der Handhabung (Vorlegen von Umrüstkonzepten mit entsprechenden Übergangsfristen) aus. Mischlösungen lehnt der OVE ab.
4. Rahmenbedingungen für netzdienliche Flexibilitäten
Der OVE unterstützt eine rasche Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden.
Die Digitalisierung der Netze ist ein energiewirtschaftliches Schwerpunktthema, das der OVE breit unterstützt. Die Reduktion von Leistungsspitzen sowie die Gewährleistung der Ausgewogenheit zwischen Lasten und Erzeugern erfordern stabile digitale Kommunikationssysteme. Elektrofahrzeuge können als mobile Speicher Flexibilitätsdienstleistungen anbieten. Bidirektionales Laden ist die relevante Technologie dafür. Fahrzeughalter, die bidirektionales Laden nutzen möchten, sollen nicht nur von zu Hause aus, sondern auch an anderen Orten Energie in das Netz einspeisen können. Technisch ist das bereits möglich. Regulatorisch sind jedoch noch offene Punkte zu klären.
5. Förderungen
Der OVE unterstützt den Ruf nach Förderungen für die Errichtung von Ladestationen und den Netzausbau unter besonderer Berücksichtigung der heimischen Wertschöpfung.
Der OVE fordert eine spezielle Förderrichtlinie zur Unterstützung heimischer/europäischer Wertschöpfung, sowohl hinsichtlich Entwicklungstätigkeit und Sachgüterproduktion als auch Dienstleistungen. Reine Ankaufsförderungen, die weitgehend eine außereuropäische Wertschöpfung unterstützen, sind zu vermeiden.
6. Fachkräftemangel
Der OVE unterstützt Aktivitäten für die Förderung von Nachwuchsfachkräften im Bereich Elektrotechnik und Informationstechnik vollumfänglich und verweist in diesem Zusammenhang auf eigene Initiativen.
Im Fahrzeugbereich sind Umschulungsinitiativen von klassischen KFZ-Techniker:innen auf Elektrofahrzeuge zu begrüßen.
Erarbeitet wurde diese Positionierung von einem Expert:innen-Gremium im OVE. Beteiligt waren Teilnehmer:innen aus Industrie, Infrastrukturunternehmen, Energiewirtschaft, Interessenvertretungen und Politik. Für weitere Informationen bzw. Diskussion steht der OVE gerne zur Verfügung.
Kontakt
Roman Eichinger
Leitung Academy, Technologie- & Innovationsmanagement
OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Eschenbachgasse 9 | 1010 Wien
T +43 1 587 63 73-537
r.eichinger@ove.at | www.ove.at

Positionspapier 04/2023
Aktuelle Studie zeigt alarmierende Zahlen: Fachkräfte für die Energiewende dringend benötigt
In der gesamten Branche der Elektrotechnik und Informationstechnik fehlen aktuell bis zu 13.800 Fachkräfte. Zumindest jede vierte Stelle kann derzeit nicht besetzt werden. Diese alarmierenden Zahlen gefährden nicht nur den Wirtschaftsstandort Österreich, sondern ganz besonders auch die Umsetzung der Energiewende. Der OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik fordert daher die rasche Umsetzung einer Qualifizierungsoffensive.
Die Energiewirtschaft hat eine enorme Herausforderung zu stemmen: Die ambitionierten Klimaziele der Regierung, nämlich 100 % Strom aus Erneuerbaren Energiequellen (national bilanziell) bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040, erfordern einen Umbau unseres Energiesystems mit einem massiven Ausbau der Infrastruktur und dem Einsatz innovativer Technologien. Doch laut einer Hochrechnung des Industriewissenschaftlichen Instituts IWI fehlen alleine in der Energiewirtschaft aktuell bis zu 2000 dringend benötigte Fachkräfte. Bis zum Jahr 2030 wird sich der Mangel noch einmal auf bis zu 2.900 vergrößern.
Elektrotechniker:innen besonders gefragt
Besonders dringend benötigt werden Elektrotechniker:innen mit Schwerpunkt Energietechnik. Um die Sicherheit unserer Energieversorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können, sind außerdem Mitarbeiter:innen im Bereich IT-Systems & Security enorm gefragt, denn die Energiewende macht intelligente Netze mit digitalen Schnittstellen notwendig. Dringenden Aufholbedarf gibt es zudem bei Zusatzkompetenzen wie Projektmanagement für den notwendigen Infrastrukturausbau oder Maschinenbau für die Planung und Konstruktion von Anlagen. Auch Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, Planungs- und Simulationssoftware sowie Gebäudeleittechnik, Haustechnik und Elektrik sind äußerst gefragt. Es gilt, verstärkt auch das große Potenzial bei weiblichen Fachkräften zu nutzen.
Mehr Ausbildungsangebote für Energietechnik notwendig
Bereits jetzt setzt die Energiewirtschaft stark auf unternehmensinterne Weiterbildungen und die Qualifizierung der eigenen Mitarbeiter:innen für neue Aufgabenbereiche. Ein erheblicher Teil der benötigten Fachkräfte muss dennoch aus dem Bildungssystem kommen. Daher gilt es, vor allem die Angebote im Bereich Energietechnik zu stärken. Hochspannungstechnik als wesentliche Kompetenz für die Energiewende etwa ist ein Gebiet, das ausschließlich in der Energietechnik gelehrt wird. Neue Angebote zum Thema „Erneuerbare Energien“ dürfen die notwendigen grundlegenden Kompetenzen wie Elektrotechnik nicht verdrängen, vielmehr sollen sie diese ergänzen.
Mobilisierung von Schülerinnen und Schülern
Der OVE setzt als Branchenplattform bereits wesentliche Akzente, um Fachkräfte für die aktuellen Herausforderungen zu gewinnen. Im Rahmen seiner Nachwuchsinitiativen informiert der Verband über Berufsmöglichkeiten in einer innovativen und zukunftsgerichteten Branche. Gemeinsam mit Branchenpartnern wird der OVE noch dieses Jahr eine große Fachkräftekampagne umsetzen. Ein besonderes Augenmerk gilt weiblichen Vorbildern in Berufen der Elektrotechnik.
OVE-Präsident Kari Kapsch: „Brauchen Ausbildungsoffensive“
„Der Mangel an qualifizierten Fachkräften gefährdet die Energiewende und damit das Erreichen unserer Klimaziele. Dabei birgt gerade dieser Systemwandel ein enormes Potenzial in sich, den Wirtschaftsstandort Österreich und Europa zu stärken. Wir brauchen ganz konkret Ausbildungsoffensiven in den Bereichen Elektrotechnik und Informationstechnik“, so OVE-Präsident Kari Kapsch.
Zusammenfassung
⦁ Jede vierte Stelle in der Elektrotechnik und Informationstechnik kann aktuell nicht besetzt werden. Alleine in der Energiewirtschaft fehlen derzeit bis zu 2.000 Fachkräfte. Tendenz steigend.
⦁ Für die Energiewende sind dringend mehr Fachkräfte notwendig. Gefragt sind vor allem Kompetenzen in den Bereichen Elektrotechnik und Informationstechnik. Wichtige Zusatzkompetenzen sind u.a. Projektmanagement und Maschinenbau.
⦁ Vor allem Ausbildungsangebote im Bereich Energietechnik müssen forciert werden. Neben den Grundlagen der Elektrotechnik müssen diese auch Angebote zu IT-Security und Projektmanagement beinhalten, wie sie für die Umsetzung der Energiewende wesentlich sind.
⦁ Schwerpunkte zu Erneuerbaren Energien im Bildungssystem sind zu begrüßen. Sie dürfen allerdings grundlegende Inhalte der Elektrotechnik nicht verdrängen.
⦁ Um mehr Personen für eine fundierte Ausbildung im Bereich Elektrotechnik und Informationstechnik zu gewinnen, braucht es eine breite Mobilisierung. Die Regierung hat in ihrem „Just Transition Aktionsplan“ entsprechende Kommunikationsmaßnahmen an den Schulen vorgesehen. Diese müssen rasch umgesetzt werden.
Kontakt:
OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Mag. Cornelia Schaupp
Eschenbachgasse 9 | 1010 Wien
T +43 1 587 6373-534
M +43 664 968 04 76
c.schaupp@ove.at
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Über den OVE:
Der OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik ist eine moderne und unabhängige Branchenplattform und gestaltet die Entwicklung der Elektrotechnik und Informationstechnik in Zeiten des digitalen Wandels aktiv mit. Der OVE vernetzt Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft, Energieunternehmen sowie Anwender:innen und fördert mit zahlreichen Weiterbildungsangeboten den Erfolg der Branche. Als elektrotechnische Normungsorganisation und mit seinen weiteren Kerngebieten Zertifizierung und Blitzforschung vertritt der Verband die österreichischen Interessen offiziell in internationalen Gremien. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Website www.ove.at

Positionspapier | 04/2022
Innovation für Österreich: DC-Technologien für die Energiewende
Vorwort
Die DC-Initiative des OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik bietet eine Plattform für Austausch und Vernetzung im Zusammenhang mit DC-Technologien und der potentiellen Anwendung von Gleichstrom und -spannung. Sie fördert durch intensiven Erfahrungsaustausch eine koordinierte Vorgehensweise bei der Forschung zum Thema DC und unterstützt damit österreichische Unternehmen bei der Entwicklung von DC-Produkten und deren Einsatz. Der OVE sieht darin einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der europäischen Technologiesouveränität.
Seit dem Start der Initiative im Jahr 2021 gab es bereits mehrere Workshops zum Thema DC-Technologien mit zahlreichen Interessierten aus Wissenschaft und Forschung, Industrie und Energiewirtschaft. Die Veranstaltungen haben deutlich gezeigt, wie groß das Interesse an DC sowie der Bedarf an Erfahrungsaustausch und einem abgestimmten Vorgehen ist.
Durch aktive Wissensvermittlung will die Initiative die Vorteile der DC-Technik auch einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen.
Dieses Positionspapier zeigt die Bedeutung von DC-Technologien für ein künftiges Stromsystem, das durch Dekarbonisierung und Digitalisierung geprägt sein wird. Es stellt Forschungsprojekte und konkrete Anwendungen vor und skizziert die Chancen und Herausforderungen durch neue DC-Technologien und damit auch für die österreichische Wirtschaft.
Aktuelle Informationen zur DC-Initiative finden Sie online unter www.ove.at.
Peter Reichel
OVE-Generalsekretär
Executive Summary
Dekarbonisierung und Digitalisierung sind wesentliche Themen unserer Zeit. Strom gewinnt in unserer hochtechnisierten Gesellschaft durch die Energie- und Mobilitätswende weiter an Bedeutung.
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, Energieeffizienzmaßnahmen sowie die Zunahme der Elektromobilität lassen auch den Markt für Gleichstromsysteme im Zuge der Dekarbonisierung der Energieversorgung weltweit wachsen.
DC hat Vorteile im Bereich Elektromobilität, bei der Energieversorgung im industriellen und gewerblichen Bereich sowie im Haushalt. Zudem bietet DC-Technologie die Chance, in Entwicklungsländern eine effiziente, regionale Stromversorgung durch erneuerbare Energien aufzubauen.
Gleichstromtechnik in einem nachhaltigen Energiesystem
Die DC-Technik kann interessante Anwendungsfälle im zukünftigen Stromsystem bieten, da z. B. Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, E-Fahrzeug-Bordnetze und Umrichter-Zwischenkreise in DC-Technik ausgeführt sind. Konkrete Anwendungen gibt es heute außerdem schon für sehr lange Übertragungsstrecken sowie für Offshore-Netze zur Netzintegration von Offshore-Windkraft.
Die DC-Technologie kann also die Systemintegration und -kopplung erneuerbarer Energien vereinfachen und darüber hinaus auch die Energieeffizienz steigern. Bestandteile eines nachhaltigen Energiesystems können mittels DC mit weniger Umwandlungsstufen realisiert werden, etwa Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Kombination mit lokaler Erzeugung bzw. Speicherung oder industrielle Energieversorgung.
Die DC-Technologie wird etablierte AC-Netze aller Voraussicht nach nicht ersetzen, aber dort ergänzen, wo sie entsprechende Vorteile bietet.
Stand der Forschung und Technik
Die technischen Vorteile des Gleichstroms – u. a. kein Skin-Effekt, höhere Ressourceneffizienz und kein Blindleistungsbedarf – werden weltweit seit Jahrzehnten bei der Übertragung elektrischer Energie über weite Strecken in Form der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) genutzt. An einem Ausbau der einzelnen DC-Verbindungen zu vermaschten HGÜ-Netzen wird gearbeitet.
Auch im Nieder- und Mittelspannungsbereich könnte DC künftig an Bedeutung gewinnen, das zeigt die steigende Anzahl an dazu erscheinenden Publikationen, Patentanmeldungen und ersten Referenzprojekten. Im Vordergrund stehen dabei DC-Anwendungen in der Automatisierungstechnik, der Elektromobilität und der Energieversorgung.
Die damit verbundenen technischen Fragestellungen erfordern noch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sind aber grundsätzlich lösbar.
Österreichische Stärken im Zusammenhang mit DC-Technik
Österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen können bereits auf zahlreiche Projekte im Bereich DC-Technik verweisen. Diese umfassen unter anderem die Weiterentwicklung bzw. Produktion von Leistungselektronik, Komponenten für DC-Systeme (Schalter und Sicherungen, Kabel, Spulen, Sensoren etc.), Isolationstechnologie sowie Kompetenz für den sicheren Betrieb von DC-Systemen einschließlich leistungsfähiger Prüfinfrastruktur.
Basierend auf dem vorhandenen Know-how wird das Produktportfolio laufend erweitert. Für eine skalierte Erweiterung sowie den Aufbau neuer und hochinnovativer Industriezweige sind aber noch entsprechende Investitionen notwendig.
Was braucht es, um DC-Technologie in Österreich weiterzuentwickeln?
Wesentliche Voraussetzungen für einen raschen und kosteneffizienten Einstieg in zukünftige DC-Technologien sind eine koordinierte Vorgehensweise, gemeinschaftliche Forschung sowie ein intensiver Erfahrungsaustausch. Es braucht daher eine Bündelung der Aktivitäten an Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen unter Einbeziehung von Industrie, Gewerbe und Energiewirtschaft mit dem Ziel, Innovationsprojekte und Pilotanlagen für DC-Anwendungen bzw. -Netze aufzubauen und Betriebserfahrungen mit dieser neuen Technologie zu sammeln.
Von der Politik braucht es eine Unterstützung der Forschung im Bereich der DC-Technologieentwicklung und -Demonstration durch entsprechende Förderungen und Abstimmung mit europäischen Aktivitäten. Sichtbare Referenzprojekte für DC-Anwendungen können österreichische Industrie- und Gewerbebetriebe im internationalen Markt unterstützen und liefern gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur europäischen Technologiesouveränität.
Begleitet werden müssen die Forschungsaktivitäten durch eine aktive Wissensvermittlung. Hier wird die DC-Initiative des OVE auch künftig einen wichtigen Beitrag leisten und den Aufbau einer österreichischen „DC-Community“ vorantreiben.
Mit der Entwicklung neuer DC-Technologien und -Produkte muss auch die (Weiter-)Entwicklung relevanter Normen und Standards für einen sicheren Betrieb und die Marktetablierung wirtschaftlicher Lösungen einhergehen. OVE Standardization bietet hier als österreichische elektrotechnische Normungsorganisation die entsprechende Plattform. Industrie, Gewerbe und Energiewirtschaft sind aufgefordert, Expert:innen in die entsprechenden technischen Komitees zu entsenden.
1. Motivation
Die DC-Initiative des OVE hat sich zum Ziel gesetzt, österreichische Unternehmen bei der Entwicklung und Forschung zu DC-Produkten technologisch zu unterstützen. Sie will damit zum Erhalt der europäischen Infrastruktursouveränität bei einem zukünftigen Einsatz von DC-Netzen beitragen. Das bedingt einerseits die Entwicklung und Produktion von Schlüsseltechnologien in Europa, aber auch die Fähigkeit, Produkte für den Einsatz in bestehenden und zukünftigen Netzen zu qualifizieren sowie DC-Netze sicher zu betreiben.
Dekarbonisierung und Digitalisierung sind wesentliche Themen unserer Zeit. Die Europäische Union gibt mit dem Green Deal und „Fit for 55“ die Leitlinien vor, die ihre österreichische Entsprechung unter anderem in der #mission2030, der geplanten Klimaneutralität 2040 und – aktueller – im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) finden. Diese Ziele sind ehrgeizig, bieten aber auch die Chance, Österreichs Volkswirtschaft und Gesellschaft sowie Industrie und Gewerbe für eine nachhaltige Entwicklung auszurichten.
Elektrische Energie ist die Basis für eine hochtechnisierte, digitalisierte Gesellschaft, ohne die sämtliche Kommunikations-, Steuer- und zunehmend auch Mobilitätssysteme nicht betrieben werden können. Durch die Energie- und Mobilitätswende wird Strom weiter an Bedeutung gewinnen. Die Stromerzeugung ausschließlich aus erneuerbaren Energieträgern mit deren volatilem Energiedargebot ist dabei eine große Herausforderung und bedingt einen wirkungsvollen Ausgleich zwischen erzeugter und nachgefragter elektrischer Energie. Elektromobilität und Energiegemeinschaften stellen zusätzliche Anforderungen an die bestehenden Netze, führen zu neuen Netztopologien und erfordern in Kombination mit der Systemintegration der erneuerbaren Energien einen Ausbau der Netzinfrastruktur.
Intelligente Gleichstromnetze können hier wesentliche Beiträge zur Bewältigung der vielfältigen Aufgaben leisten. Dafür gilt es, die notwendigen Technologien und Produkte zu entwickeln sowie Normen und Standards für einen sicheren und wirtschaftlichen Betrieb zu erarbeiten.
Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen 17 Strategische Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die von allen Mitgliedsländern approbiert wurden. Diese beinhalten als Ziel 7, den „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle [zu] sichern“. Ziel 9 steht für den Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur, die Förderung einer nachhaltigen Industrialisierung und die Unterstützung von Innovationen.
Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Im Gegensatz zu Europa geht es in Entwicklungsländern allerdings um einen grundlegenden Aufbau elektrischer Netz- und Infrastruktur. DC-Technologie bietet die Möglichkeit, eine effiziente regionale Stromversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger aufzubauen, zum Beispiel in Kombination mit Photovoltaik. Damit besteht die Chance, rund eine Milliarde Menschen, die aktuell immer noch ohne Strom leben, regional mit nachhaltig erzeugter elektrischer Energie zu versorgen und die Basis für die Entwicklung von Anwendungssystemen für Gewerbe, Industrie, Gebäude und Verkehr zu schaffen. Auch in diesen Anwendungsbereichen kann die DC-Technologie wesentlich zu einer intelligenten und effizienten Nutzung beitragen. Dafür sind entsprechende Produkte notwendig, die es zu entwickeln und anschließend nachhaltig zu produzieren gilt.
Die Bedeutung von DC-Technologien in künftigen Netzen wurde weltweit erkannt und spiegelt sich in einer steigenden Anzahl von dazu erscheinenden Publikationen, Patentanmeldungen und ersten Referenzprojekten wider. In Österreich beschäftigen sich universitäre und außeruniversitäre Forschungsprojekte mit Aspekten der DC-Technologie und entsprechender Validierungs- und Prüfinfrastruktur. Österreichische Unternehmen sind mit ersten DC-Produkten auf dem Markt oder entwickeln solche.
Eine österreichweite DC-Initiative, abgestimmt mit Forschung, Industrie und Gewerbe sowie Energieunternehmen, soll die Voraussetzungen schaffen, Österreich als Innovationsstandort im Bereich MV/LV-DC zu etablieren – mit dem Anspruch, bei spezifischen Themen eine Führungsrolle zu übernehmen. Damit will die Initiative die österreichische Wirtschaft und insbesondere die Energiewirtschaft in diesem Bereich nachhaltig unterstützen und Österreich als führende Innovationsplattform für diese wichtige Zukunftstechnologie etablieren und weiterentwickeln.
2. DC-Netze: Die Rolle von Gleichstromtechnik in einem nachhaltigen Energiesystem
Die Entwicklung moderner Halbleiterbauelemente trägt maßgeblich dazu bei, dass DC-Lösungen zunehmend auch für Anwendungen im Nieder- und Mittelspannungsbereich kostengünstig und robust konstruiert werden können. Neue Wide-Bandgap-Halbleiter wie Silicium-Karbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) erlauben höhere Sperrspannungen als klassische Silizium-Halbleiter und reduzieren damit die Anzahl aktiver Bauelemente, die notwendig sind, um hohe Spannungen zu verarbeiten (vgl. Abbildung 1). Darüber hinaus erlauben sie bei geeignetem Schaltungsdesign geringere Schaltverluste. Zu berücksichtigen sind jedoch die geringere Überlastbarkeit leistungselektronischer Umrichter im Vergleich zu klassischen Transformatoren und elektrischen Maschinen sowie die Lebensdauer bzw. Zuverlässigkeit von Halbleiterbauelementen.
Anwendungsfälle für Mittelspannungs- und Niederspannungs-Gleichstromsysteme
Neben bestehenden Anwendungen – etwa Hochspannungs-Gleichstromübertragung, Bordnetze, Stromversorgung von Datencentern oder DC-Bahnstrom – finden Gleichstrom und -spannung eine Reihe interessanter neuer Anwendungsfälle im zukünftigen Stromsystem. Die Vorteile von Gleichstromtechnik in diesen Bereichen umfassen dabei mögliche Effizienzsteigerungen (etwa durch weniger Umwandlungsstufen), Kapazitätserweiterungen oder spezielle günstige technische Eigenschaften.
Im Bereich der Mobilität entwickeln sich neue DC-Bordnetze mit Spannungen von einigen hundert Volt bis Kilovolt. Nicht nur bei der E-Mobilität auf der Straße, sondern auch bei Flugzeugen, Schienenfahrzeugen und Schiffen ist deren temporäre Kopplung an stationäre Netze zur Schnellladung sinnvollerweise in DC ausgeführt. Aufgrund der dabei auftretenden hohen Leistungen ist zukünftig eine direkte leistungselektronische Kopplung an die Mittelspannung absehbar und deswegen ein aktives Entwicklungsfeld.
DC-Technologie kann auch die Systemintegration und -kopplung erneuerbarer Energien vereinfachen, da zum Beispiel Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher in Elektrofahrzeugen und Umrichter-Zwischenkreise bereits in DC-Technik ausgeführt sind. Bestandteile eines nachhaltigen Energiesystems können mittels DC mit weniger Umwandlungsstufen und damit energieeffizienter realisiert werden. Beispiele hierfür sind die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Kombination mit lokaler Erzeugung bzw. Speicherung oder auch die industrielle Energieversorgung. Speziell bei Herstellungsprozessen (DC-Versorgung von Motoren) können DC-Industrienetze Vorteile hinsichtlich Effizienz, Flächenbedarf und Steuerbarkeit aufweisen. Bei der Versorgung von Servern in Datencentern spielt DC heute bereits aufgrund der höheren Effizienz gegenüber AC-Lösungen eine wesentliche Rolle.
Im öffentlichen Verteilnetz könnte künftig die Kapazität bestehender Leitungen durch die Umstellung auf DC erhöht werden. Das ermöglicht, Leitungen teilweise mit signifikant höherer Spannung zu beaufschlagen als im AC-Betrieb. Ab einer gewissen Leitungslänge sind die Lebenszykluskosten der DC-Alternative inklusive Umrichter vorteilhaft gegenüber der AC-Variante. Aus diesem Grund wird dieser Ansatz bereits heute verfolgt, beispielsweise in Finnland bei langen „Stich“-Verbindungen in dünn besiedelten Regionen.
Bei der Restrukturierung von Netzen könnten DC-Verbindungen in Zukunft eine flexible Lösung bieten. Die Erweiterung von Punkt-zu-Punkt-DC-Strecken zu DC-Verteilnetzen mit mehr als zwei Anschlusspunkten ist ein aktives Forschungsthema. Dies betrifft sowohl Komponenten wie Leistungsschalter, Schutztechnik und zeitgemäße Informations- und Kommunikationssysteme als auch zukünftige technische Regeln für den Betrieb solcher AC/DC-Hybridnetze, die noch aufzustellen sind.
Wachsender Markt für Gleichstrom-Technologien
Der heute schon signifikante Markt für DC-Systeme wird weltweit im Zuge der Dekarbonisierung der Energieversorgung weiterwachsen. Die DC-Technologie wird etablierte AC-Netze aller Voraussicht nach nicht ersetzen, aber dort ergänzen, wo sie aufgrund attraktiver Möglichkeiten entsprechende Vorteile bietet.
Die weitere Entwicklung der Elektromobilität und Schnellladeinfrastruktur ist bereits ein wachsendes Marktsegment. Ausgehend von etablierten Lösungen, wie etwa DC-versorgte Datencenter, wird sich der Markt für DC-Netze „hinter dem (AC)-Zähler“ ausdehnen – auf Gebäude und Industrieanlagen mit integrierter lokaler Erzeugung, Batterien, gegebenenfalls Elektrolyse und H2-Brennstoffzellen sowie die E-Ladeinfrastruktur.
Die meisten dieser Systeme koppeln an die öffentliche Verteilnetzinfrastruktur an, so dass es hier früher oder später sinnvoll sein wird, die AC/DC-Umwandlung tiefer in das öffentliche Netz zu verlegen. Spätestens dann wird eine etablierte technische Lösung für aktiv gesteuerte DC-Netze auf der „letzten Meile“ zum Kunden benötigt.
3. Situation und Stand der Technik der elektrischen Energieverteilung
Die technischen Vorteile des Gleichstroms – u. a. kein Skineffekt, kein Blindleistungsbedarf, geringe Übertragungsverluste sowie hohe Regeldynamik – werden weltweit seit Jahrzehnten bei der wirtschaftlichen Übertragung elektrischer Energie über weite Strecken in Form der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) genutzt. Dabei werden hauptsächlich bis zu 2.500 km lange Punkt-zu-Punkt-Verbindungen verwendet, etwa in den Wachstumsmärkten China und Indien.
In Österreich wurden bis 1996 zwei HGÜ-Gleichstrom-Kurz-Kupplungen (GKK) für den asynchronen Energieaustausch mit Osteuropa betrieben. Für sehr lange Übertragungsstrecken und vor allem für Offshore-Netze für die Netzintegration von Offshore-Windkraft gibt es bereits heute zahlreiche konkrete Anwendungen. An einem Ausbau der einzelnen DC-Verbindungen zu vermaschten HGÜ-Netzen wird derzeit gearbeitet.
Die grundsätzlichen Vorteile der HGÜ sind auch im Nieder- und Mittelspannungsbereich (LV/MV-DC) nutzbar. Dabei stehen Anwendungen in der Automatisierungstechnik, der Elektromobilität und der Energieversorgung im Vordergrund. Insbesondere in vermaschten DC-Netzen ergeben sich durch die gute Regelbarkeit durch DC/DC-Konverter Vorteile hinsichtlich Flexibilisierung, Lastflussoptimierung und Resilienz.
Die notwendigen Kernkomponenten für LV/MV-DC-Anwendungen wie AC/DC- und DC/DC-Konverter, Leistungsschalter, Kabel und Freileitungen sowie Schutztechnik sind bereits verfügbar bzw. in Entwicklung oder Gegenstand der aktuellen Forschung:
· AC/DC- und DC/DC-Konverter: Im Niederspannungsbereich sind entsprechende Konverter bereits im Einsatz, etwa im Bereich Photovoltaik, Windkraftanlagen, elektrische Antriebe und Elektromobilität. Im Bereich der Konverter für Mittelspannungs-Gleichstromübertragung (MGÜ-Anwendungen) sind mit IGBT ausgestattete modulare Multilevel-Konverter (MMC) vorgesehen. Diese Technologie hat sich bereits bei HGÜ-Anwendungen bewährt.
· DC-Leistungsschalter: Das Ausschalten eines Gleichstroms ist aufgrund des fehlenden Stromnulldurchgangs schwieriger zu realisieren als beim Wechselstrom. Für LVDC ist ein großes Produktangebot verschiedener Hersteller auf Basis von elektromechanischen Schaltern bis zu DC-Spannungen von 1200 V und einem Kurzschluss-Ausschaltstrom von 10 kA verfügbar. Erste wesentlich schnellere hybride und vollelektronische LVDC-Schalter, die das Schalten des Lichtbogens in die Leistungselektronik verlagern, sind z. B. bereits bei Flugzeugbordnetzen und Schiffen kommerziell im Einsatz. Aus der HGÜ abgeleitete DC-Leistungsschalter für MVDC befinden sich in der Entwicklung, wobei verschiedene Schaltertechnologien untersucht werden.
· DC-Kabel und DC-Freileitungen: Im Bereich der Leitungen stehen Lösungen und Produkte zur Verfügung. Die Umrüstung bestehender Mittelspannungsleitungen auf DC-Betrieb wird u. a. im MVDC-Pilotprojekt „Angle-DC“ in Großbritannien durchgeführt. Die Verwendung von neuen VPE-isolierten MVAC-Kabelsystemen für einen bipolaren Betrieb mit hoher DC-Bemessungsspannung zur Erhöhung der Übertragungskapazität (je nach Bedingungen bis zu Faktor 5) wird im Rahmen eines Forschungsprojekts an der TU Graz untersucht.
· Schutztechnik: Diese ist im DC-Bereich eng mit der Konverter-Technologie und Konverter-Regelung verknüpft. Neben klassischen Schutzeinrichtungen (Sicherung, Leistungsschalter) spielt die regelungstechnische Begrenzung des Fehlerstroms eine maßgebliche Rolle.
· Erdung: Die Bereiche Personensicherheit und Beeinflussung (Streuströme, Korrosion) sind eng mit der Thematik der Erdung von DC-Systemen verbunden.
Es existieren bereits mehrere Forschungs- und Pilotprojekte für LV/MV-DC. Diese werden nachfolgend anhand von Beispielen vorgestellt:
Beispiel LVDC „DC-Industrie“ (D)
Im Rahmen des deutschen Forschungsprojekts „DC-Industrie“ forschen 39 Partner an industriellen DC-Netzen in der Produktion. Im Fokus der Forschung steht die Gleichstromversorgung einer Produktionshalle. Die DC-Infrastruktur wird in neun Modellanlagen und Transferzentren bei verschiedenen Projektpartnern realisiert und ausführlich getestet. Die Leistung dieser Anlagen reicht von einigen Kilowatt bis zu zwei Megawatt.
Beispiel MVDC „Angle-DC“ (UK)
An der Nordwestküste von Wales nimmt seit einigen Jahren die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern stark zu, weshalb ein Export zum Festland notwendig wird. Das führt jedoch zu Stabilitätsproblemen, da die vorhandene 33-kV-AC-Verbindungsstrecke zwischen der Insel und dem Festland an ihre Kapazitätsgrenze gelangt ist. Um die notwendige Erhöhung der Übertragungskapazität zu erreichen, wird sie daher auf eine Mittelspannungs-Gleichstromübertragung (MGÜ) umgerüstet. Da es sich hier um ein Übertragungssystem handelt, welches seit Langem in Betrieb ist und aus verschiedenen Kabeltypen (Öl/Papier-isolierte Kabel, Massekabel und VPE-Kabel) sowie einer Freileitung besteht, wurde die Nenn-Gleichspannung auf ±27 kV (Spitzenwert der 33-kV-Wechselspannung) festgelegt. Obwohl in Anbetracht des Alters der Kabelstrecke die maximale Leitertemperatur auf 50 °C beschränkt wurde, erhöht sich die Übertragungskapazität dennoch um ca. 23 %.
Beispiel MVDC „Network Equilibrium“ (UK)
Das Hauptziel des Projekts war die Verbesserung der Spannungshaltung und der Lastflusssteuerung innerhalb des Verteilnetzes. Es wurden verschiedene Verfahren eingesetzt und untersucht, um eine verbesserte Integration von erneuerbaren Energiequellen im 33-kV-Verteilnetz zu ermöglichen. Der eingesetzte FPL (flexible power link) besteht aus einer Gleichstrom-Kurzkupplung, die eine Verbindung von zwei unabhängigen Verteilnetzen herstellt und mittels Lastflusssteuerung einen gezielten Energieaustausch ermöglicht.
Die neuen Möglichkeiten, die sich durch DC-Technologie eröffnen, bedürfen auch einer Standardisierung, um eine sichere und interoperable Anwendung in der Praxis zu ermöglichen. Ein Überblick über bestehende DC-Standards ist im Report der CIRED Working Group 2019-1 mit dem Titel „DC Networks on the Distribution Level – New Trend or Vision” zu finden. Jedoch schreitet die technische Entwicklung schnell voran. Die Identifikation von für Österreich und Europa relevanten Normungsthemen im Kontext von DC ist dauerhaft notwendig und sollte aus einem Branchendialog heraus stattfinden. In diesem Zusammenhang spielen auch Themen der Automatisierung und des Managements von DC-Versorgungssystemen eine wichtige Rolle.
4. Österreichische Stärken beim Thema DC
Österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen können bereits jetzt auf zahlreiche relevante Aktivitäten im Bereich DC-Technik verweisen. Diese umfassen beispielsweise Themen der Weiterentwicklung bzw. Produktion von
· leistungselektronischen Bauelementen,
· auf Leistungselektronik basierenden Systemen zur Kopplung von Wechselstrom- mit Gleichstromsystemen,
· Lösungen zur asynchronen Kopplung von Wechselstromsystemen miteinander und von Gleichspannungssystemen unterschiedlicher Spannungsebenen,
· Komponenten für DC-Systeme wie Schalter, Sicherungen, Kabel, Spulen und Sensoren,
· Technologien und Materialien zur Isolation mittlerer und hoher Gleichspannungen, sowie
· Methoden und Konzepten zum Schutz und sicheren Betrieb derartiger Systeme.
Die österreichische Industrie adressiert dabei den Weltmarkt von DC-Produkten. Es sind hier daher auch Anwendungsfelder zu berücksichtigen, die in Europa keine wesentliche Rolle spielen – etwa DC-Lösungen für Entwicklungsländer.
Als Beispiele für Projekte in diesem Themenbereich, an denen österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen maßgeblich beteiligt sind, seien an dieser Stelle die Folgenden genannt:
· Projekt Hochspannungsbatterie
Projektbeteiligte: FH Oberösterreich, FH Landshut, Technologiezentrum Energie Ruhstorf
Ziel: Die Entwicklung von Konzepten und Lösungsansätzen für Mittelspannungs-Batterien zum direkten Einsatz in DC-Mittelspannungsnetzen. Die entwickelte Infrastruktur steht auch nach erfolgreichem Abschluss des Projektes für Forschung und Lehre zur Verfügung.
· Projekt Flash Check * (Lichtbogenerkennung)
Projektbeteiligte: FH Oberösterreich, EATON, Fronius, RISC Software GmbH
Ziel: Die Untersuchung der Emission von Harmonischen in Strom und Spannung an einem unter DC gezogenen Lichtbogen bei einem Strom von bis zu 10 A bei sehr kleinen Kontaktspalten und verschiedenen Materialien (Kupfer, Stahl, Aluminium und Messing) zum Zweck der Lichtbogenerkennung.
· Projekt „Surface break down of polluted Medium Voltage DC insulators in Air“ *
Projektbeteiligte: FH Oberösterreich, Florida State University, Center of Advanced Power Systems
Ziel: Entwicklung von Modellen zur Beschreibung des DC-Isolator-Überschlagverhaltens.
Einsatz in Batterie- und Leistungselektronik-Systemen unter besonderer Berücksichtigung der Verschmutzung (bei verschiedenen Verschmutzungstypen).
· Projekt ProBat * (Entwicklung von E-Auto Sicherungen)
Projektbeteiligte: FH Oberösterreich, AIT, MIBA, Voltlabor
Ziel: Untersuchung der Lichtbogenphysik in pyrotechnisch getriggerten E-Auto Sicherungen bei einem Strom von bis zu 30 kA und einer Spannung von bis zu 1000 V.
· Projekt MGÜ@Netz (MGÜ-Anlagen und DC-Kabel/DC-Freileitung)
Projektbeteiligte: TU Graz, mit Unterstützung durch Österreichs Energie
Ziel: Untersuchung von MGÜ-Anlagen und Nutzung von VPE-isolierten 12/20-kV-MVAC Kabelsystemen für MVDC inkl. Erhöhung der Übertragungskapazität um ca. den Faktor 5,5.
· Projekt ADC Labs * – Austrian DC Labs
Projektbeteiligte: AIT, TU Graz
Ziel: Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung von Testmethoden zur Unterstützung des Entwicklungs- und Validierungsprozesses von DC-Komponenten und -Systemen auf Basis von Power-Hardware-in-the-Loop (P-HIL). Einbindung von Stakeholdern aus der Industrie in die Formulierung des zukünftigen Validierungsbedarfs.
· Projekt HYPERRIDE ** – Hybrid Provision of Energy based on Reliability and Resiliency by Integration of DC Equipment
Projektbeteiligte: AIT (Konsortialführer), u. a. Zelisko, Eaton
Ziele: Technologiedemonstration von MV/LV DC – AC/DC hybriden Netzen (Micro- und Nanogrids) an drei virtuell verbundenen Demo-Standorten (EPFL Campus in Lausanne/Schweiz, MVDC Campusgrid der RWTH Aachen/Deutschland und im Feld eines Verteilnetzbetreibers ASM Terni/Italien) auf einem Technologieentwicklungsgrad 5 - 8. Reduzierung von Netzplanungs- und Investitionsrisiken (Modularität), Firewall-Effekt gegen Fehler und Cyberattacken, Unterbringung von hohen Anteilen erneuerbarer Energie (Photovoltaik) in Kombination mit Batteriespeichern und Elektromobilität in einem auf Gleichstrom basierenden System (Betrieb am und getrennt vom Netz).
· DC Prüfinfrastruktur am AIT Austrian Institute of Technology
Als Reaktion auf die beschriebene Entwicklung im Bereich DC-Technologien und zum Teil basierend auf den Ergebnissen des Projektes ADC Labs hat das AIT seine elektrische
Forschungs- und Prüfinfrastruktur für DC-Experimente auf eine höhere Leistung ausgebaut. Das AIT unterhält bereits jetzt eine große Bandbreite an Laborinfrastruktur für die Entwicklung, Prüfung und Zertifizierung von technischen Systemen wie z. B. Hochspannungsprüffeld bis 600 kV AC / 1200 kV Stoßspannung, Hochstromprüffelder bis 120 MVA AC und 35 MW DC, Smart Grid-Labor (C-, und P-HIL), Leistungselektronik-Labor für Prototypenentwicklung. Das neue DC-Prüffeld hat einen Spannungsbereich von 150 V bis 3800 V und die Anlage ist für Dauerströme bis 5 kA und Impulsströme bis 80 kA (3 s) ausgelegt.
· TU Graz und Versuchsanstalt für Hochspannungstechnik Graz GmbH (VAH)
Das akkreditierte Nikola Tesla-Prüflabor verfügt über die notwendigen Hochspannungsprüfanlagen (u. a. 1500 kV DC, 3250 kV Stoßspannung) und Messsysteme für die Entwicklung und Prüfung von DC-Geräten und DC-Komponenten bis zur ±800 kV Spannungsebene. Darüber hinaus stehen ein C/P-HIL-Prüflabor (60 kVA) und Rechenprogramme für die AC/DC-Netzberechnung zur Verfügung.
· CIRED-Arbeitsgruppe WG 2019-1 DC Distribution Networks
Leitung: AIT
Beteiligung: TU Graz, Energienetze Steiermark und Eaton
Anwendungsbereich: DC-Komponenten, Planungsthemen, Standardisierung und regulatorische Rahmenbedingungen, Schwerpunkt MVDC und LVDC Verteilnetze (bis etwa 100 kV DC), öffentliche Netze, Industriegebäude, Einrichtungen und spezielle Netze, Pilotanlagen und
Anwendungsfälle. Diese Arbeitsgruppe geht unter dem Titel “WG-2021-1 DC and hybrid AC/DC distribution networks integration“ in eine zweite Phase.
Die derzeitigen Aktivitäten sind durchwegs eine Erweiterung der Produktportfolios basierend auf dem vorhandenen Know-how. Sie können einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung und zum Ausbau der Technologiesouveränität leisten, mit den entsprechenden zu erwartenden Auswirkungen auf Sicherung einschlägiger Arbeitsplätze des Forschungs- und Industriestandortes Österreich. Für eine Umsetzung und den Aufbau neuer und hochinnovativer Industriezweige braucht es aber noch entsprechende Investitionen.
Fußnoten:
* Gefördert durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG
** Gefördert durch das EU-Programm Horizon 2020
5. Was braucht es, um DC in Österreich weiterzuentwickeln?
Um Österreich als Innovationsstandort im Bereich MV/LV-DC zu etablieren, müssen entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden, die es erlauben, bei spezifischen Themen eine Führungsrolle zu übernehmen. Dafür sind insbesondere die folgenden Punkte von Bedeutung:
1. Eine Bündelung der Aktivitäten an Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen unter Einbeziehung von Industrie, Gewerbe und Energiewirtschaft. Ziel ist es, Innovationsprojekte und Pilotanlagen für DC-Anwendungen bzw. -Netze aufzubauen und Betriebserfahrungen für die Marktreife von Produkten und Lösungen zu sammeln. In diesem Zusammenhang soll auch eine wirtschaftliche und umweltrelevante Bewertung von potenziellen Anwendungsfällen unternommen werden.
2. Die Unterstützung der Forschungsaktivitäten im Bereich der DC-Technologieentwicklung und -Demonstration auf politischer Ebene durch entsprechende Förderungen und eine Abstimmung mit europäischen Aktivitäten. Als wesentliche Akteure seien hier das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), der Klima- und Energiefonds, die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG sowie der Wissenschaftsfonds FWF genannt. Richtungsweisende Referenzprojekte für DC-Anwendungen können österreichische Industrie- und Gewerbebetriebe im internationalen Markt unterstützen und sind gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur europäischen Technologiesouveränität.
3. Eine koordinierte Vorgehensweise, ein intensiver Erfahrungsaustausch sowie Wissensvermittlung als wesentliche Voraussetzungen für einen raschen und kosteneffizienten Einstieg in künftige DC-Technologie. Die DC-Initiative des OVE will hier einen wichtigen Beitrag leisten und den Aufbau einer österreichischen „DC-Community“ weiterverfolgen.
4. Die aktive Mitwirkung an der (Weiter-)Entwicklung relevanter Normen und Standards. Für einen sicheren Betrieb und eine kommerzielle Nutzung muss mit der Entwicklung neuer DC-Technologien auch die Arbeit an entsprechenden Normen und Standards einhergehen. Mit der Entsendung von Expert:innen in die relevanten technischen Komitees von IEC und CENELEC können Industrie, Gewerbe und Energiewirtschaft hier aktiv mitwirken.
Conclusio
Dekarbonisierung und Digitalisierung betreffen als wesentliche Themen unserer Zeit vor allem auch unser Stromsystem. Die Energie- und die Mobilitätswende machen eine intensive Auseinandersetzung mit der Forschung an DC-Technologien lohnenswert, denn diese haben das Potential, in unserem künftigen Stromsystem eine wesentliche Rolle zu spielen: Sie können die Systemintegration und -kopplung erneuerbarer Energien vereinfachen und darüber hinaus die Energieeffizienz steigern, da etwa Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher, E-Fahrzeug-Bordnetze und Umrichter-Zwischenkreise in DC-Technik ausgeführt sind.
DC-Technik wird etablierte AC-Netze aller Voraussicht nach nicht ersetzen, kann sie allerdings dort ergänzen, wo sie entsprechende Vorteile bietet. Für Entwicklungsländer bietet sie zudem die Chance, eine effiziente, regionale Stromversorgung basierend auf erneuerbaren Energien aufzubauen.
Technische Fragestellungen im Zusammenhang mit DC-Technologien erfordern noch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sind aber grundsätzlich lösbar.
Österreichische Forschungseinrichtungen und Unternehmen können bereits auf zahlreiche Projekte im Bereich DC-Technik verweisen. Um Österreich als Innovationsstandort in diesem Bereich nachhaltig zu etablieren, müssen allerdings noch entsprechende Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören eine koordinierte Vorgehensweise, gemeinschaftliche Forschung sowie ein intensiver Erfahrungsaustausch, aber auch eine Unterstützung der Forschung durch die Politik, etwa durch entsprechende Förderungen für richtungsweisende Referenzprojekte. Diese können österreichische Industrie- und Gewerbebetriebe im internationalen Markt unterstützen und liefern gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur europäischen Technologiesouveränität.
Der OVE stellt mit seiner DC-Initiative eine Plattform für Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung zur Verfügung und fördert damit den Aufbau einer „DC-Community“. Darüber hinaus ist OVE Standardization als nationale elektrotechnische Normungsorganisation mit zahleichen Expert:innen in den internationalen Gremien an der Entwicklung entsprechender Normen und Standards beteiligt. Diese sind notwendig, um einen sicheren Betrieb und damit den Erfolg von DC-Technologien zu gewährleisten.
Glossar
HGÜ Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Eine Technologie der elektrischen Energieübertragung mit hoher Gleichspannung.
HIL, P-HIL Hardware in the Loop, Power-Hardware in the Loop. Bezeichnet ein Verfahren, bei dem ein reales eingebettetes System (z. B. elektronisches Steuergerät oder mechatronische Komponente) über seine physikalischen Ein- und Ausgänge an ein angepasstes und von einer Simulation gesteuertes Gegenstück angeschlossen und getestet wird. Power-Hardware in the Loop erfordert dabei die Simulation höherer Leistungen zwischen den Prüflingen und der im Simulator nachgebildeten Umgebung.
IGBT Insulated-Gate Bipolar Transistor; Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode. Ein IGBT ist ein leistungselektronisches Halbleiterbauelement, das z. B. in Schaltnetzteilen und Frequenzumrichtern eingesetzt wird und sehr schnell getaktet mit hohem Wirkungsgrad große Ströme schalten kann.
MGÜ Mittelspannungs-Gleichstrom-Übertragung, engl.: MVDC. Siehe HGÜ, nur auf der Mittelspannungsebene statt auf der Hochspannungsebene.
Multilevel-Konverter Frequenzumrichter, bei dem die Ausgangsgrößen aus vielen geeignet verschalteten und koordiniert gesteuerten Einzelkomponenten zusammengesetzt werden.
MVAC Mittelspannungs-Drehstrom-Verteilung
MVDC siehe MGÜ
Netztopologie Struktur von elektrischen Energieversorgungsnetzen, z. B. vermascht, strahlen- oder ringförmig.
Offshore-Netze Engl.: „vor der Küste“, Netze, die im Küstenvorfeld der Meere errichtet werden.
Skineffekt Widerstandserhöhung stromdurchflossener Leiter bei hohen Frequenzen. Der Skineffekt beruht auf der Tatsache, dass bei hohen Frequenzen die Stromdichte in einem Leiter nicht mehr homogen ist, weil der Strom zur Oberfläche des Leiters hin verdrängt wird.
Umrichter Elektrische Schaltung, die Gleichstrom in Wechselstrom oder einen Gleichstrom mit anderer Spannungshöhe oder Polarität umwandelt.
Vermaschte Netze Vermaschte Netze zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Netzknoten über mehrere Verbindungen (die also Maschen bilden) mit anderen Knoten verbunden sind – im Gegensatz zu strahlenförmigen Netzen, bei denen es in der Regel nur genau einen Verbindungspfad zwischen zwei Punkten gibt.
VPE-isoliertes Kabel Hochspannungskabel, das vernetztes Polyethylen (VPE) zur Isolation der spannungsführenden Teile verwendet.
Wide-Bandgap-Halbleiter Halbleiter mit breitem Bandabstand; Halbleiter, deren Bandabstand/Bandlücke (Energieabstand zwischen Valenzband und Leitungsband) höher als bei klassischen Siliziumhalbleitern ist. Halbleiterschalter mit Wide-Bandgap-Materialien zeichnen sich durch im Vergleich zur Silizium-Lösung höhere Spannungsfestigkeit und geringere Schaltverluste aus.
Zwischenkreis Über den Zwischenkreis werden zwei oder mehrere Umrichter miteinander gekoppelt. Zwischenkreise können z. B. als Gleichspannungs- oder Gleichstromzwischenkreis ausgeführt werden.
Impressum
Herausgeber: OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik, Generalsekretär Peter Reichel, Eschenbachgasse 9, 1010 Wien
Redaktion: Wolfgang Gawlik (TU Wien), Friederich Kupzog (AIT), Peter Reichel (OVE), Herwig Renner (TU Graz), Cornelia Schaupp (OVE), Uwe Schichler (TU Graz), Peter Zeller (FH Wels)
Kontakt & Rückfragen:
OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik
Cornelia Schaupp
Leitung Presse und Kommunikation
Eschenbachgasse 9 I 1010 Wien
T +43 587 63 73-534
M +43 664 968 04 76
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OVE-Positionspapier 03/2020
Regierungsprogramm und OIB Richtlinie 6: Benachteiligung der Energieform Strom aufheben!
Die aktuelle OIB Richtlinie 6 „Energieeinsparung und Wärmeschutz“ benachteiligt in mehreren Punkten die Energieform Strom. Die Politik ist daher aufgefordert, die Richtlinie nicht in ihrer jetzigen Form umzusetzen. Nur dann bleiben Österreichs Klimaziele erreichbar.
Strom soll in Österreich künftig zu 100 % (national bilanziell) aus erneuerbaren Quellen kommen. Das sieht Österreichs Klima- und Energiestrategie vor und ist auch im Regierungsprogramm 2020-2024 verankert.
Über die Sektorkopplung spielt hier auch die Wärme- und Kälteversorgung eine wichtige Rolle. Laut der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) soll der Anteil der erneuerbaren Energien im Bereich Wärme- und Kälteversorgung um jährlich 1,3 % steigen. Darüber hinaus soll eigenverbrauchter Strom abgaben- und gebührenfrei bleiben.
Auf nationaler Ebene wurden im April 2019 die OIB Richtlinie 6 „Energieeinsparung und Wärmeschutz“ sowie der OIB-Leitfaden “Energietechnisches Verhalten von Gebäuden“ herausgegeben. Neue Häuser dürfen nur mit Beibringung eines positiven Energieausweises errichtet werden.
Bei der Erstellung dieses Energieausweises fällt der zentrale Gesamtenergiefaktor fGEE umso besser (niedriger) aus, je mehr durch eigene Strom- und Wärmeerzeugung vom errechneten Endenergiebedarf abgezogen werden kann. Welche Anteile des eigenproduzierten Stroms abgezogen werden dürfen, wurde vom Sachverständigenbeirat für bautechnische Richtlinien, Untergruppe RL 6 bestimmt.
⦁ Hier kommt es allerdings zu einer klaren Benachteiligung von Strom als Energieform. Die OIB RL 6 steht damit in krassem Gegensatz zur RED II.
Nachteil 1: Strombedarfsanteile
Die in der OIB RL 6 unter Punkt 4.14 enthaltene Tabelle „Strombedarfsanteile“ sieht vor, dass eigenproduzierter Ökostrom nur teilweise in die Energiebilanz für die Erstellung des Energieausweises eingerechnet werden darf.
Beispiel: Bei einer 5 kWp Anlage am Hausdach, die 5.000 kWh Ökostrom pro Jahr erzeugen kann, können nur 50 % des Kühlenergiebedarfs als selbst produziert im Energieausweis gegengerechnet werden. Und das selbst im Sommer, wenn fast alle privaten PV-Anlagen wegen des großen Überschusses an selbst erzeugter Energie diese ins Netz des Energieversorgers einspeisen müssen.
Auch die bereits seit Jahren geförderte Speichertechnologie wird hier zu wenig berücksichtigt. Technologien wie Wärmespeicherung über Warmwasser oder durch Betonkernaktivierung finden gar keine Berücksichtigung.
⦁ In der aktuell vorliegenden OIB RL 6 findet selbst produzierter Ökostrom aus PV-Anlagen keine ausreichende Anerkennung im Energieausweis eines Gebäudes. Es fehlt daher der Anreiz, bei der Errichtung oder Sanierung von Gebäuden eine solche Anlage zu installieren. Die fehlende Anerkennung steht in krassem Widerspruch zum angestrebten Ausbau der PV-Kapazitäten im Rahmen einer Klima- und Energiestrategie.
Einige Länder haben das bereits erkannt und übernehmen die aktuelle OIB Richtlinie 6 nicht vollständig in ihre Landesbauordnungen: So streicht etwa Salzburg die Tabelle 4.14 – Strombedarfsanteile – komplett heraus und stellt fest, dass jede selbst produzierte Kilowattstunde Ökostrom auch zu 100 % bilanziell im Energieausweis gegengerechnet werden darf. Das Burgenland wird diesem Beispiel folgen und die Richtlinie ebenfalls nicht vollständig übernehmen.
Nachteil 2: Konversionsfaktoren
In den unter Punkt 7 der OIB RL6 angeführten Konversionsfaktoren wird Strom (Liefermix) mit einem CO2-Koeffizienten f, CO2 = 227 gCO2/kWh bewertet.
Im Vergleich dazu ermittelt die E-Control den CO2-Koeffizienten mit 61,15684 g/kWh. Das ist nur ein Viertel jener CO2 Belastung, die die OIB RL 6 annimmt. Mit diesem Wert der Behörde rechnen auch alle öffentlichen Stellen bei ihren Betrachtungen.
⦁ Die Bewertung in der OIB RL6 stellt einen enormen Nachteil für den Einsatz kostengünstiger Stromheizungen (etwa Infrarotheizung, Wärmepumpe, elektrische Fußbodenheizung) oder einer strombasierten Warmwasserbereitung dar. Sie hat damit auch negative Auswirkungen auf österreichische Unternehmen, die gerade auf diesem Gebiet einen Wissens- und Technologievorsprung haben, und bedingt eine Verteuerung von Bauvorhaben, was im klaren Widerspruch zum Anspruch auf leistbares Wohnen steht.
Conclusio
Sektorkopplung bedeutet, beim Bau und bei der Sanierung von Häusern neue Technologien einzusetzen. Diese sind daher zu fördern und in der Bauordnung entsprechend zu berücksichtigen.
Die OIB RL 6 in ihrer vorliegenden Form stellt die Verwendung von Strom zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung in Frage. Sollen die Ziele der Klima- und Energiestrategie erreichbar bleiben, gilt es, dies zu ändern.
Im Bereich Elektromobilität wird Strom als „Zero Emission“-Energieform propagiert. Gleichzeitig wird dieselbe Energieform im Bereich Wärme-/Kälteerzeugung mit einem hohen CO2-Faktor dargestellt. Der Gesetzgeber ist gefordert, diese Ungleichbehandlung rasch zu beheben.
Es ergeben sich daher folgende Forderungen:
⦁ Eine Gleichbehandlung von Strom als Energieform in allen Verwendungsarten und eine hundertprozentige Gegenrechnungsmöglichkeit von Strom aus erneuerbaren Energiequellen oder eigenproduziertem Ökostrom.
⦁ Eine Gleichbehandlung aller Primärenergieträger sowie Wertobjektivität durch eine Koppelung des CO2-Koeffizienten für Strom (Liefermix) an den jährlich neu veröffentlichten CO2-Wert im Stromkennzeichnungsbericht der E-Control.
⦁ Eine praxistaugliche Bewertung der Speichertechnologien durch eine differenziertere Aufschlüsselung der Zurechnungsmöglichkeiten in Prozentpunkte.
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