e+i aktuell: DC-Technologien als zentrales Element der Energiewende

Karl-Heinz Mayer, Director Engineering bei Eaton Industries Austria, ist begeisterter und auch begeisternder Elektrotechniker mit Leib und Seele, engagiert sich in der nationalen und internationalen elektrotechnischen Normung und hat ein Gespür für Innovation: Mit der Redaktion der e+i hat er über die DC-Technologie als ein zentrales Element der Energietransformation sowie seine Leidenschaft für Standards gesprochen.

e+i: Die Firma Eaton zählt zu den Vorreitern im Bereich DC-Technologie, Sie selbst beschäftigen sich nun schon seit einigen Jahren intensiv damit. Welches Potenzial birgt die DC-Technologie, etwa im Bereich Energieeffizienz?

Karl-Heinz Mayer: In die DC-Technologie bin ich 2016 erstmals so richtig eingetaucht. Im Vorfeld eines Workshops habe ich mich damals intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und dabei festgestellt: Das ist genau das, was wir zukünftig brauchen, auch wenn diese Innovation viele unserer bestehenden Technologien ablösen wird.(...)

Aus den bisherigen Projekten haben wir bereits zahlreiche Ergebnisse ableiten können, und ich möchte Ihnen beispielhaft zwei Zahlen nennen:

  • Zum einen können wir mit DC-Technologien bis zu 55 % Kupfer einsparen, allein in den Industrieanwendungen. Das ist unter anderem der höheren Spannung geschuldet. Wir haben bei DC-Anwendungen 650 Volt DC als Nennspannung anstelle von 400 oder 415 Volt AC. Die Grenze wurde so gewählt, dass die bestehenden Leitungen nicht erneuert werden müssen. Vor allem im Industriebereich ist es wichtig, dass bestehende, investitionsintensive Geräte weiter im Einsatz bleiben, weil sie nicht von heute auf morgen getauscht werden können.
  • Die zweite beeindruckende Zahl ist das Ergebnis, das ein Partner im DC-Konsortium in puncto Effizienz erreichen konnte: eine Energieeinsparung von 45 %.

Ich bin der Letzte, der sagt, DC ist die alleinige Lösung in der Energiewende, aber es ist eindeutig, dass DC ein ganz wesentlicher Teil davon sein wird.

DC wird AC nicht ablösen, wir werden bei unseren AC-Netzen, so wie wir sie heute haben, bleiben. Das geht gar nicht anders. Aber: Der Energiebedarf steigt dramatisch an, und DC-Technologien bieten dafür vor allem in der Industrie Lösungen. In der roboterintensiven Fertigung birgt beispielsweise Rekuperation ein großes Einsparpotenzial, das mittels DC-Netz genutzt werden kann.

Ein weiterer Vorteil von DC-Netzen ist die einfachere Einbindung von Erneuerbaren Energien. Außerdem leisten DC-Technologien einen wichtigen Beitrag zu den SDGs, den Nachhaltigkeitszielen der UNO. Vielen ist nicht bewusst, dass etwa 1,2 Mrd. Menschen auf dieser Welt noch keinen Zugang zu elektrischer Energie haben. Dabei wissen wir, dass es etwas macht mit Menschen, wenn sie die Möglichkeit haben, am Abend noch weiterzulesen, weiterzuarbeiten oder einfach weiterzudenken, weil sie Licht haben. Energie ist ein Riesenthema, um Schwellenländer in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Karl-Heinz Mayer, Eaton Industries
"Der Energiebedarf steigt dramatisch an, und DC-Technologien bieten dafür vor allem in der Industrie Lösungen."
Director Engineering bei Eaton Industries Austria

e+i: Der OVE hat 2021 eine DC-Initiative gestartet, an der auch Sie von Beginn an beteiligt waren. Worin sehen Sie den großen Vorteil dieser Initiative?

Mayer: Also zunächst freut es mich sehr, dass wir hier schon so weit gekommen sind. Im Vergleich zu anderen Ländern zählt Österreich auf dem Gebiet DC – wenn ich es positiv formuliere – ja nicht zu den Pionieren. Umso wichtiger ist diese Initiative, bei der sowohl Wissenschaft als auch Wirtschaft mit an Bord sind. Der nächste große Schritt sollte nun der Start von Pilotprojekten sein, die dann auch einen Multiplikator-Effekt haben.

Natürlich ist im Bereich DC noch nicht alles erfunden und nicht alles gesagt, aber in unserer DC-Initiative findet ein reger Austausch statt, und wir können auch von anderen europäischen Ländern lernen, die bei ähnlichen Rahmenbedingungen wie hier in Österreich schon einige Schritte weiter sind.

Gemeinsam werden wir Lösungen finden und Bewusstsein schaffen, und ich bin froh, dass der OVE als unabhängige Plattform den Lead in der Initiative übernommen hat.

e+i: Als Experte im Bereich Gleichstrom setzen Sie sich auch in der Normung für dieses Thema ein, sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene, wo Sie mit Ihrer Wahl zum CENELEC Vice President einen eindrucksvollen Erfolg feiern konnten. Warum ist Ihnen das Engagement in der Normung so wichtig?

Mayer: Für mich sind Standardisierung und Innovation untrennbar miteinander verbunden. Es gibt keine Innovation, die dann nicht in irgendeiner Form in Standards umgesetzt wird, zumindest in meiner Welt, deshalb ist mir die Standardisierung auch so wichtig.

Wenn ich jemandem die Bedeutung von Normung erkläre, verwende ich immer ein einfaches Bild: Auf dem Markt treffen wir als Hersteller auf unsere Kunden. Die Frage ist: Was verbindet uns mit den Kunden, und was ist die Basis dieser Verbindung?

Und die Antwort lautet: Standards. Sie bieten uns eine rechtliche Grundlage und somit mehr oder weniger die Basis unseres Vertrags. Der nächste entscheidende Punkt ist dann das Conformity Assessment, also die Konformität mit den Standards.

Wenn man dann noch die Marktüberwachung dazunimmt, habe ich die wesentlichen drei Elemente, wie der Markt für uns funktioniert.

Es gibt natürlich immer Menschen, die glauben, dass Standardisierung eine trockene Materie ist – die möchte ich einladen, einmal für eine Stunde an einem Standards Meeting teilzunehmen und zu erleben, wieviel „Musik“ hier im Spiel ist, wieviel strategisches Geschick von allen eingebracht wird.

Schauen wir uns zum Beispiel an, was Normungsexpert:innen ausmacht: Sie haben tiefes technisches Verständnis für die Produkte und Anwendungen, sie denken strategisch und können zwischen den Zeilen lesen, wo die anderen hin wollen.

Außerdem haben sie Kommunikations- und Netzwerk-Skills auf höchstem Niveau – garniert mit einem Schuss Diplomatie. Sie sind Teil einer eingefleischten Community, die sich auf Augenhöhe versteht und mit der sie technische Dinge über die Grenzen ihres eigenen Unternehmens hinaus diskutieren können. Und das alles ist unglaublich inspirierend.

e+i: Sie haben das Conformity Assessment schon angesprochen: Welche Rolle spielen Prüfzeichen für ein Produkt, das auf dem internationalen Markt bestehen soll?

Mayer: Für unser Geschäft ist die Konformitätsbewertung ein essenzieller Faktor, und zwar immer schon. Schließlich stellen wir Geräte her, die verlässlich funktionieren müssen, die zum Beispiel jede Sekunde über das Leben von Menschen wachen.

Daher wollen wir nur Produkte auf den Markt bringen, die durch eine dritte Stelle zertifiziert sind. Zum Schutz aller Anwender:innen davor, Schaden zu nehmen, aber auch aus Selbstschutz. Mit Prüfzeichen können wir nachweisen, dass unsere Geräte dem Stand der Technik entsprechen.

Da die Technik und die damit einhergehenden Richtlinien – notwendigerweise – zunehmend komplexer werden, wird auch die Bedeutung von Prüfzeichen immer größer. (...)

Das vollständige Interview mit Karl-Heinz Mayer lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".