Interview mit Hemma Bieser

Hemma Bieser gibt im vorliegenden Interview Einblicke in ihren beruflichen Werdegang, dessen Grundstein sie mit einem Studium der technischen Physik und dem anschließenden Master-Abschluss „Management und Umwelt“ legte.

Wertvolle Erfahrungen sammelte die aktive OVE Fem-Netzwerkerin, Lektorin und auch gerne gebuchte OVE-Vortragende im Bereich der Unternehmensberatung – u. a. für große Unternehmen wie die Deutsche Bank – sowie als Programm-Managerin im Klima- und Energiefonds der Österreichischen Bundesregierung, ehe sie 2011 ihr eigenes Unternehmen avantsmart e. U. gründete.

Hemma Bieser versteht sich als Vordenkerin für smarte Energielösungen und fungiert somit als Zukunftsgestalterin im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Gespräch mit Hemma Bieser

OVE Fem: Wirft man einen Blick auf Ihren Lebenslauf bekommt man einen sehr umfassenden Eindruck Ihrer Vielseitigkeit, deren Hauptaugenmerk auf drei gesellschaftsrelevanten und damit sehr wesentlichen Themenfeldern liegt: Klima- und Umweltschutz/Nachhaltigkeit, Design Thinking/Innovation und Coaching/Wissensvermittlung. Inwiefern dient Ihnen Ihr Studium der Technischen Physik als Basis für all diese Bereiche, die Sie nun abdecken?

Hemma Bieser: Das technische Studium hat die Grundlagen für alle weiteren beruflichen Entwicklungen geschaffen. An der TU habe ich das analytische Denken gelernt und geübt. Probleme erst richtig zu verstehen, um dann Lösungen zu schaffen. Experimentierfreude, die Neugierde und die Sicherheit, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt, als wir heute schon wissen.

 

OVE Fem: Ehe Sie mit Ihrem eigenen Unternehmen avantsmart durchstarteten, waren Sie u. a. als Programm-Managerin für den Klima- und Energiefonds der Österreichischen Bundesregierung tätig. Welche wichtigen Erfahrungen konnten Sie in dieser Zeit machen?

H. Bieser: Mit dem Klima- und Energiefonds hat die Bundesregierung vor mehr als 15 Jahren erstmalig einen wirklich großen, damals mit 500 Mio. Euro dotierten, Fördertopf speziell für den Klimaschutz geschaffen. Es war sehr spannend, diese Organisation mit aufzubauen.

Davor war ich in der Unternehmensberatung tätig und habe für große Unternehmen wie die Deutsche Bank gearbeitet. Das Umfeld im Klimafonds war dann ganz ein anderes. Die Erkenntnis, wie unterschiedlich die Arbeit im politischen und ministeriellen Umfeld ist, welche Spielregeln und Usancen hier gelten – das waren für mich die wertvollsten Erfahrungen.

 

OVE Fem: 2011 gründeten Sie dann Ihr eigenes Unternehmen avantsmart – wie kam es dazu und was steckt hinter der Namensgebung?

H. Bieser: Vor mehr als zehn Jahren habe ich begonnen, mich mit folgenden zwei Fragestellungen zu beschäftigen: Erstens, wie kann es uns gelingen, die Ergebnisse aus Forschungsprojekten im Sinne von Innovation besser zu verwerten? Das bedeutet, wie können wir nicht nur wissenschaftliche Publikationen verfassen, sondern auch tatsächlich neue Produkte oder Services auf den Markt bringen?

Und zweitens, wie können wir die Nutzer:innen und Bürger:innen in das große Projekt Energiewende mit einbeziehen? Dabei helfen uns Innovationsansätze wie Design Thinking oder Business Model Innovation.

avantsmart ist ein Kunstwort und soll ausdrücken, dass wir die Avantgarde, Vordenker für neue, smarte Energielösungen sind. Und noch mehr: Zukunftsgestalter:innen.

 

OVE Fem: Gab es spezielle Herausforderungen bei der Gründung? Wenn ja, mit welchen Hürden waren Sie konfrontiert?

H. Bieser: Ich bin mit einer Idee und einer Vision gestartet: Nachhaltigkeit für Unternehmen gewinnbringend machen. Wie genau das geht, musste auch ich erst lernen. (Lacht).

Dabei haben mir wieder die Fähigkeiten geholfen, die ich mir im Studium angeeignet habe. Heute weiß ich, es geht vielen Gründer:innen und Start-ups so. Das ist ganz normal. Es dauert einige Jahre, bis man als Unternehmer:in sein Geschäftsmodell gefunden hat.

"Gerade die Sichtbarmachung unserer Arbeit halte ich für besonders wichtig, so wie sie auch OVE Fem seit vielen Jahren schon unterstützt."
Geschäftsführerin avantsmart e.U.

OVE Fem: Kommen wir zu den eingangs erwähnten Themenbereichen, mit denen Sie befasst sind, Stichwort: Klimaschutz und Energiewende?

H. Bieser: Es gibt viele globale Herausforderungen im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich. Meiner Meinung nach sind die SDGs (Sustainable Development Goals) der UNO wirklich ein Meilenstein und bieten eine gute Orientierung für Unternehmen, die sich in Nachhaltigkeit engagieren möchten.

Ich selbst habe mich auf die Themen Klimaschutz und Energiewende spezialisiert. Wobei wir gerade erleben, dass es viele Überschneidungen mit anderen Themen gibt, wie z. B. der Kreislaufwirtschaft.

 

OVE Fem: Als Unternehmerin tragen Sie mit Innovationen basierend auf Methoden wie Design Thinking zu Strategie-Findungen und in weiterer Folge zu einer positiven Entwicklung in Umweltfragen bei. Wie darf man sich diesen Prozess vorstellen?

H. Bieser: Der Design Thinking-Prozess im engeren Sinne geht immer von der Nutzer:in oder Kund:in aus. In unseren Innovationsprojekten versuchen wir in einem ersten Schritt zu verstehen, wo die wirklichen Probleme, Herausforderungen und Wünsche der Kund:innen liegen.

Danach startet ein iterativer Kreativprozess: Ideen generieren, Prototypen bauen, Feedback einholen, lernen, verbessern.

Im weiteren Sinne geht es darum, Problemstellungen systemisch zu betrachten. Das betrifft die großen Fragestellungen der Energiewende. Dabei geht es um eine Transformation des Energiesystems aus technischer Sicht, aber noch viel mehr um gesellschaftliche Veränderungen.

 

OVE Fem: Eine entscheidende Säule für Ihr tägliches Schaffen bildet natürlich auch die gekonnte Wissensvermittlung, die Sie als Lektorin für „Innovation, Entrepreneurship und Transformation“ auch an der FH Technikum Wien, der Technikum Wien Academy und der Universität für Angewandte Kunst in Wien aktiv praktizieren. Was ist es, das Sie an der Lehrtätigkeit besonders reizt und beeindruckt?

H. Bieser: Die Universitäten bieten die Möglichkeit, frei zu denken. Neues auszuprobieren und dabei in einem sicheren Umfeld zu lernen. Die Arbeit mit den Studierenden ist für mich eine Inspiration. Ich bekomme neue, andere Sichtweisen und empfinde meine Lehrtätigkeit als extrem bereichernd, beruflich wie auch menschlich.

 

OVE Fem: Sie geben Ihr Wissen nicht nur als Vortragende, sondern auch als Mentorin und Coach einerseits für Start-ups und andererseits für Frauen weiter. Bleiben wir vorerst bei den Start-ups: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige österreichische Start-up-Szene?

H. Bieser: In Österreich ist in den letzten zehn Jahren eine kleine Community an Start-ups im Energiebereich entstanden. Wir haben einige davon in den letzten Jahren begleitet.

Auffallend ist, dass am Anfang noch mehr im Hardware-Bereich, also Energieerzeugung, tätig waren. In den letzten Jahren sind es vor allem IT-Start-ups, die Lösungen für die Energiebranche entwickeln. Damit sind sie auch Treiber und Impulsgeber für die Digitalisierung der ganzen Branche.

 

OVE Fem: … und: Als Frauennetzwerk interessiert es OVE Fem natürlich auch sehr, inwiefern Sie – selbst ausgebildete Technikerin und Managerin – Frauen in der Technik unterstützen und coachen?

H. Bieser: Ich finde es toll, dass in den letzten Jahren immer mehr Frauennetzwerke gegründet wurden, die alle unterschiedliche Schwerpunkte haben. Ich nehme regelmäßig an Veranstaltungen und Netzwerktreffen teil und bin auch immer wieder als Mentorin tätig.

2021 habe ich mit Projektpartnerinnen gemeinsam ein eigenes Online-Dialogformat ins Leben gerufen unter dem Titel „Die Energiewende ist weiblich“, bei dem wir Gestalterinnen aus den Bereichen Forschung, Wirtschaft und Verwaltung auf die Bühne geholt haben.

Gerade die Sichtbarmachung unserer Arbeit halte ich für besonders wichtig, so wie sie auch OVE Fem seit vielen Jahren schon unterstützt.

 

OVE Fem: Was macht der Privatmensch Hemma Bieser in der Freizeit? Wie können Sie abschalten, was bereitet Ihnen Freude?

H. Bieser: Im Winter mache ich gerne Skitouren. Wenn ich in den Bergen unterwegs bin, kann ich wunderbar abschalten und die Gedanken baumeln lassen. Freude bereitet mir, auf Reisen zu sein und Neues zu entdecken.

OVE Fem: Vielen Dank für das Gespräch!